Zu Weihnachten findet eine ganze Reihe mal mehr und mal weniger hochwertiger Spielzeugartikel den Platz unter dem festlich geschmückten Baum. Ganz oben mit dabei ist zumeist LEGO. Die Firma bietet qualitativ sehr hochwertige und pädagogisch durchaus empfehlenswerte Klemmbausteine an. Die Geschäftspraktiken des Klemmbausteine-Herstellers sind allerdings ziemlich dubios – worunter dann am Ende auch die Qualität der Produkte leidet.
Wenn wir den Angaben der Firma glauben wollen, wurde das LEGO-Patent zunächst am 28. Januar 1958 um 13.58 Uhr angemeldet. Als das letzte Patent 1996 auslief, wolle die Firma ihre Bausteine als „europäische Gemeinschaftsmarke“ eintragen lassen, scheiterte damit aber vor dem Europäischen Gerichtshof. Das liegt nicht zuletzt an der Begrenzung für Patente, die in Europa derzeit auf 20 Jahre festgelegt ist. Nach dieser Zeit, so der Wille der Gesetzgeberin, sollen Erfindungen allgemein zugänglich sein und von allen genutzt werden dürfen. Was dann halt eben auch heißt: die ersten 20 Jahre darf die Erfindung nicht allgemein genutzt werden. Nur die Person bzw. Institution, die sie angemeldet hat, hat das Recht zu ihrer Nutzung. Obwohl die praktischen Klemmbausteine schon lange Zeit eine viel weitere Verbreitung hätten finden können, wurde diese beschränkt, weil nur die eine Firma mit Sitz in Dänemark sie produzieren durfte.
Da mag nun ein erster Gedanke sein: Na ja, die haben’s halt erfunden. Ganz so einfach ist es allerdings nun auch wieder nicht. Denn der Klemmbaustein ist ja nicht aus dem Nichts entstanden, sondern kann auf eine ganze Reihe von Vorgänger*innen zurückgreifen, auf andere Bauspielzeuge also, die in ihrer Funktionalität dem Klemmbaustein nicht ebenbürtig waren, deren Existenz aber den nächsten Schritt in der Weiterentwicklung des Klemmbausteins ermöglicht hat. Warum der letzte Schritt dieser Reihe wichtiger sein soll als einer der vorherigen, mag juristisch zu begründen sein, rein von der Sache bleibt es aber willkürlich. Das wird nicht zuletzt auch deutlich, wenn wir uns diese kurze Geschichte des Klemmbausteins ansehen:
Nach der Auflösung des Patents fürchtete der bisherige Monopolist um seine Gewinnmargen und versuchte mit allerlei Tricks, die potentielle Konkurrenz von der Klemmbausteinproduktion abzuhalten. Einerseits dadurch, dass die Verwendung etwa von Bildern oder Grafiken, die auch nur entfernt an Klemmbausteine erinnern, von Anwälten abgemahnt wird. Der bekannteste Fall in dieser Richtung im Deutschsprachigen Raum ist wohl der vom „Held der Steine“, einer der erfolgreichsten Youtuber in der Klemmbausteine-Welt, der von LEGO aufgrund der Verwendung eines Klemmbaustein-Symbols in seinem Kanal eine Abmahnung von der Rechtsabteilung des Konzerns bekam. Das der dann einfach aufgehört hat in seinem Klemmbausteinladen LEGO zu verkaufen, war dann die wohl nicht ganz eingeplante Retourkutsche. Seitdem stellt er auch in seinem Kanal vermehrte Produkte anderer Klemmbausteinproduzent*innen vor und hält mit seiner Kritik an der Produktentwicklung der Dän*innen noch weniger hinter dem Berg als zuvor:
Das wohl erfolgreichste Konzept zur Verhinderung unliebsamer Konkurrenz war die Eintragung der LEGO-Minifigur als sogenannte 3-D-Marke. Damit wird nicht die technische Funktion geschützt, sondern deren äußerliche Erscheinung. Klassische Beispiele für 3D-Marken sind diese Traubenzuckerriegel oder diese Schokolade. Und auch die Minifigur ist auf diese Weise geschützt. Der Vorteil des 3-D-Markenrechts (das es übrigens nur in wenigen Ländern der Welt gibt) ist, das es nicht ausläuft und der Rechtsschutz daher unbegrenzt gültig bleibt. Na ja, solange bis ein Gericht den Schutz der Marke aufhebt.
Jedenfalls kämpft LEGO nun vor jedem Gericht, das nicht schnell genug wegläuft, gegen Klemmbaustein-Produkte, bei denen Figuren mitgeliefert werden. Dabei scheint es nicht mal sonderlich wichtig zu sein, wie sehr diese den markenrechtlich geschützten Figuren tatsächlich ähneln. Da reicht es schon, wenn die mitgelieferte Figur einen runden Kopf, zwei Arme und zwei Beine hat – zack, schon kommt das Schreiben vom Anwalt mit der Behauptung, das sei doch ganz eindeutig eine unerlaubte Kopie.
Der erste bekanntere Fall im deutschsprachigen Raum war der Anbieter BlueBrixx, der vor allem mit aus China importierten Klemmbausteinen handelte (und noch immer handelt). Hier eine Darstellung des Stands der Auseinandersetzung aus Sicht der Beklagten aus dem Sommer 2020:
Der neueste Fall ist ein deutlich kleinerer Anbieter, der einen Klemmbaustein-Shop in Paderborn betreibt und pünktlich zum Weihnachtsgeschäft von der juristischen Abteilung der Firma LEGO mit der üblichen Mischung aus rechtlichen Drohungen bedacht wird, die wir bereits aus der Auseinandersetzung mit BlueBrixx kennen: da sind die Figuren allesamt scheinbar von der LEGO-Minifigur nicht zu unterscheiden, da ist ein Logo an der Stelle auf dem Karton angebracht, an der auch LEGO seine Logos anbringt und dergleichen mehr. Bisweilen erscheint es abstrus, dass Menschen sich mit solchen Dingen herumschlagen müssen. Aber es geht halt nicht um die Herstellung und Verteilung schicker Klemmbausteine, sondern um die Maximierung von Unternehmensgewinnen. Und da ist die Sache, mit der dieser Gewinn erwirtschaftet werden soll, nur ein notwendiges Übel. Hier die Darstellung des Beklagten auf seinem Youtube-Kanal Johnny’s World:
Man mag nun argumentieren, das seien nur die üblichen Rückzugsgefechte eines ehemaligen Monopolisten, der seinen Zenit schon lange überschritten habe und ohnehin nicht mehr lange ganz vorne in der Spielzeugwelt mitmischen werde. Das Problem geht allerdings in dieser relativierenden Beschreibung nicht auf. Denn es zeigt sehr schön die Folgen des Patent- und Markenrechtes und damit die Folgen einer Privatisierung von Wissen. Viele schöne Klemmbaustein-Sets sind für die Menschen (zumindest in Deutschland) nicht verfügbar, während der Marktführer seine Produkte gleichzeitig zu völlig überteuerten Preisen anbieten und absetzen kann. Gerade weil der Klemmbaustein ein qualitativ sehr hochwertiges Spielzeug ist, das zu Kreativität einlädt, ist es sehr schade, dass die Möglichkeit, an und mit diesem Spielzeug zu wachsen, den Kids vorbehalten bleiben soll, deren Eltern über das nötige Kleingeld verfügen.