Bei der kapitalistischen Produktion ist Verschwendung vom System her nahegelegt. Denn es kommt es nicht auf die Herstellung nützlicher Dinge an. Die Nützlichkeit der produzierten Waren ist nur indirekt notwendig: Wenn die Leute nicht zumindest glauben, ein Ding würde ihnen was nützen, werden sie es gar nicht erst erwerben. Darum spielen konkret-stoffliche Aspekte keine wirkliche Rolle bei der Produktion. Stattdessen kommt es auf eine sehr abstrakte, gesellschaftliche Dimension an: Der Kram muss sich als ökonomisches Gut bewähren und verkaufbar sein. Es muss nicht einfaches Gut, sondern verkaufbare Ware sein.
Diese abstrakt-gesellschaftliche Reichtumsform ist für den Kapitalismus zentral. Das wird an vielen Beispielen in unserem Alltag deutlich. Ein wesentlicher Bereich ist die geplante Verschwendung – oder die „geplante Obsoleszenz“, wie das im Fachjargon heißt. Hier ist das Prinzip ganz einfach. Waren oder Teile von Waren werden absichtlich so produziert, dass sie dysfunktional werden. Etwa, indem sie schneller kaputt gehen und sobald wie möglich erneuert werden müssen. Bei des Deutschen Lieblingsgefährt, dem Automobil, gab in den 1970er und 1980er-Jahren oft die Wasserpumpe ihren Geist auf (außer beim VW Käfer, denn der hatte eine Luftkühlung und daher keine Wasserpumpe). Das bis heute aus Filmen bekannte Klischee von qualmenden Autos am Straßenrand stammt von genau dieser Schwachstelle. Einer Schwachstelle freilich, die nicht nötig gewesen wäre. Wasserpumpen können – und konnten schon damals – problemlos so konstruiert werden, dass sie die durchschnittliche Lebensdauer eines Automobils erreichen. Wasserpumpen müssten nicht kaputt gehen.
Ähnliche Beispiele finden wir in allen Bereichen. In der Öko-Bewegung der 1970er-Jahre waren es Nylon-Strümpfe, die unnötig früh zerrissen sind, ein ebenso beliebtes Beispiel wie die hohe Fehlerquote bei Glühbirnen.
Eine andere Möglichkeit der geplanten Verschwendung finden wir im Bereich der Konsummittel. Wenn bei der Ketchup-Flasche die Öffnung etwas größer gemacht wird, so kommt mit ziemlich Sicherheit mehr Ketchup heraus, als zur Wurst benötigt wird. Im Ergebnis ist die Flasche schneller leer und es muss eine neue gekauft werden. Wenn dann die Flasche noch so designed wird, dass an möglichst vielen Ecken der Ketchup hängen bleibt, wird die Flasche nicht einmal komplett geleert, bevor eine neue gekauft werden muss.
Im Bereich der IT-Produktion begegnet uns dieses Phänomen ebenfalls. Wir alle kennen die Geschichten von Tonerkartuschen, die nach einer bestimmten Anzahl von Drucken bzw. Kopien die Arbeit einstellen, obwohl der Toner noch lange nicht leer ist. Das gleiche gilt für die Drucker selbst, die oft Fehlermeldungen über angeblich leere Toner verschicken, sobald eine bestimmte Füllgrenze unterschritten wird. Alles dies ist aber kein Bug, sondern ein Feature. Obwohl hier ganz offensichtlich Ressourcen verschlissen werden und zur Produktion neuer Waren Energie und Rohstoffe verbraucht werden müssen, rechnet sich das Ganze für das jeweilige Unternehmen. Es verkauft mehr Waren und erhöht seinen Gewinn.
Wir könnten hier noch lange fortfahren, Beispiele aufzuzählen, die in diese Kategorie fallen. Denken wir nur an die Smartphones, die immer dann kaputt gehen, wenn das neue Modell herauskommt bzw. der alte Vertrag gerade ausläuft und bei denen der Akku selbstverständlich nicht eigenständig ausgewechselt werden kann. Dahinter verbergen sich keine Verschwörungen finsterer Manager, sondern das rationale Kalkül der Betriebswirtschaft.
Diese Phänomene sind keineswegs neu und wurden bereits in den 1970er-Jahren unter dem bereits genannten Stichwort „geplante Obsoleszenz“ diskutiert. Die Geschichte der geplanten Verschwendung geht allerdings noch viel weiter zurück. Bereits in den 1920er-Jahren versuchte der Präsident von General Motors, Alfred P. Sloan, durch regelmäßige Konfigurationsveränderungen im Mikro-Bereich die Kund*innen dazu zu bewegen, sich statt des noch fahrtüchtigen Wagens ein neues Modell zuzulegen. Ebenfalls in den 1920er-Jahren, genau genommen 1924, verabredeten sich die großen Produzent*innen von Glühbirnen, die Glühdauer der Birnen auf 1000 Stunden pro Stück zu begrenzen. Ein schöner, bebilderten Überblick über das Phänomen der geplanten Verschwendung findet sich in dieser Fotoreihe.