Hochwasser
Hochwasser an der oberen Weichsel im Jahre 2010 Wikimedia

Naturkatastrophe Kapitalismus: Warum es so oft Hochwasser gibt

Wir leben in einer Zeit, die von einer Inflation der Jahrhundertereignisse gekennzeichnet ist. In immer rascheren Takt ereilen uns diese Ereignisse. Wenn wir uns mal wieder mit einem Hochwasser konfrontiert sehen, wird z. B. gerne von einer Jahrhundertflut gesprochen, wenn die Folgen der Naturgewalten das soziale Zusammenleben besonders heftig treffen. Es ist allerdings kaum zu übersehen, dass diese Ereignisse mittlerweile in einem deutlich schnelleren Takt auftreten als unsere Großeltern sie gewohnt waren.

Dabei kommt es einerseits zu einer Verschiebung der Zeiten (und der zeitlichen Abfolgen) dieser Ereignisse, aber auch zu einer Zunahme ihrer Intensität. Eine gute Übersicht über den Forschungsstand und verschiedene Studien zu diesen Zusammenhängen findet sich hier.

Bereits in der Entstehung dieser Naturkatastrophen ist also deutlich, dass sie keineswegs einfach von einer bedrohlichen und uns feindlich gesonnenen Natur auf uns hereinstürmen (im wahrsten Sinne des Wortes). Sie sind vielmehr ihrerseits abhängig von den Eingriffen, die menschliche Gesellschaften in ihre Lebensumwelt vornehmen. Und die stellen sich in aller Regel als kapitalistisches Naturmanagement dar: Die Welt wird umgewandelt in eine Ressource für die ökonomische Aktivität der Gewinnmaximierung.

Durch die spezifischen Formen dieses Naturmanagements werden die Kulturlandschaften auf eine Art und Weise umgestaltet, die sie effektiver machen. Allerdings nur für die von der kapitalistischen Verwertung an sie herangetragenen Ziele ökonomischer Profitabilität. Gleichzeitig werden sie dadurch allerdings auch anfälliger. Das zeigt sich auch in Bezug auf den „Hochwasserschutz“

Es wird viel zu wenig darüber gesprochen, welche menschlichen Eingriffe in die Natur dafür sorgen, dass diese Naturgewalten immer öfter auch zu Naturkatastrophen werden. Bedauerlicherweise haben wir in der Vergangenheit aus den verschiedensten Gründen massiv in genau diejenigen Ökosysteme eingegriffen, die die Folgen von zu viel Wasser abmildern könnten, und tun das bis heute. Die durch den Klimawandel intensivierten Wetterereignisse schlagen daher nun umso härter zu, weil die Natur ihre Schutzfunktion immer mehr verliert.
Ein Paradebeispiel für ein schützendes Ökosystem in unseren Breiten sind die Auen. Auen sind die natürlichen Überflutungsflächen entlang von Flüssen. Bis zu einem gewissen Grad können Auen ebenso wie Wälder überschüssiges Wasser aus Starkregen oder Flutwellen aufnehmen und zu einem späteren Zeitpunkt langsam wieder abgeben. Jede Überschwemmung bringt dabei neuen, oft sehr fruchtbaren Boden mit sich. Der Wechsel von hohen und niedrigen Wasserständen schafft in den Auen ein reichhaltiges Mosaik unterschiedlicher Lebensräume und strukturiert die Landschaft auf vielfältige Weise.

Frauke Fischer, Hilke Oberhansberg: Was hat die Mücke je für uns getan?

Wenn das Prinzip der allseitigen Effektivität auf diese ebenso vielfältigen wie artenreichen Lebensräume losgelassen wird, werden diese auf eine Weise umstrukturiert, die ihre traditionellen Funktionen außer Kraft setzten. Die stetig zunehmenden ökonomischen Aktivitäten der kapitalistischen Warenproduktion nehmen auch die Flüsse in Beschlag und „nutzen sie als Transportwege, verwenden deren Wasser und profitieren von ihrem fruchtbaren Umland.“ Die „Anforderungen von Schifffahrt und Landwirtschaft“ zerstören ursprünglichen Funktionen der Auenlandschaften, wie wir bei Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg lernen können:

Dies hatte weitreichende Folgen für die Auenlandschaft. Der Auenzustandsbericht des Bundesamts für Naturschutz (BfN) […] zeigt, dass nur noch rund ein Drittel der ehemaligen Überschwemmungsflächen von Flüssen bei großen Hochwasserereignissen überflutet werden können. An Rhein, Elbe, Donau und Oder sind durch den Bau von Hochwasserschutzdeichen an vielen Abschnitten nur noch 10 bis 20 Prozent der ehemaligen Auen vorhanden. […]

Neben der Tatsache, dass durch den Verlust der Auen wichtige Überflutungsflächen fehlen, führt die Begradigung von Flüssen zudem dazu, dass diese schneller fließen. So bewegen sich Flutwellen, die durch das Fehlen von Auen nicht mehr gestoppt werden können, zusätzlich mit noch mehr Wucht vorwärts. Wenn derartige Flutwellen dann auch noch aus verschiedenen Zuläufen zeitgleich eintreffen, haben wir in der Folge immer häufiger mit etwas zu tun, was wir einmal als »Jahrhunderthochwasser« bezeichnet haben.

Frauke Fischer, Hilke Oberhansberg: Was hat die Mücke je für uns getan?

Nun lautet eine klassische Antwort des technokratischen Naturmanagements auf die Frage nach dem Umgang mit den Folgen, den es geschaffen hat, ganz einfach: mehr von demselben. Also einfach höhere Dämme bauen und die Natur noch besser beherrschen. Hat ja bis hier hin auch super funktioniert. Doch wie sonst auch, sind die Grenzen dieser Vorgehensweise eng gesteckt:

Der Versuch, Hochwasser durch den Bau von höheren Dämmen zu verhindern, verschiebt das Problem übrigens lediglich flussabwärts, wo dann umso größere Wassermassen ankommen.

Frauke Fischer, Hilke Oberhansberg: Was hat die Mücke je für uns getan?

Selbst wenn es schön wäre und manche sich das wünschen mögen: Technische Großprojekte werden uns nicht retten

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