„Brauhaustoilette diskriminierend? Krach um Kölner Blabla-Klo“. Berichtet der Kölner Express hier von einem tatsächlichen Konflikt oder schreibt er ihn schlagzeilenwirksam herbei? Eine Rekonstruktion des „Gender-Zoff“.
Zur Sachlage: Im Kölner Brauhaus „Em Kölsche Boor“ sind die Herren- und Damentoiletten durch Piktogramme gekennzeichnet. Das „Herren“-Piktogramm ist mit einem einzelnen „BLA“ versehen, während das „Damen“-Piktogramm von vielen „BLABLABLA“ flankiert wird. Soweit die Ausgangssituation – Humor auf der Basis von Geschlechterklischees. Über Humor lässt sich bekanntlich streiten.
Und es wird gestritten! Zumindest nach Aussage des „Express“. Der berichtet, dass das Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern der Stadt Köln das Brauhaus wegen seiner Toilettentüren kritisiere. Anderswo ist gar von einem „Sexismus-Vorwurf“ die Rede. Deckt hier ein investigativer Journalist den ideologischen Kriegszug des Gleichstellungsamts auf, das in Brauhaustoiletten seine schmutzigen Schlachten schlägt?
Wohl kaum, denn unmittelbaren Kontakt hatten Brauhaus und Gleichstellungsamt bis dahin keinen. Es war Ayhan Demirci, Autor des Express-Artikels, der sich mit Bildern der Toilettentüren an das Amt für Gleichstellung wandte und um ein Statement bat.
Die Antwort fiel erwartbar aus. Dass Gleichstellungsbeauftragte Bettina Mötting die Gestaltung der Türen nicht gerade begrüßt, dürfte nicht verwundern. Der Express zitiert aus der Stellungnahme:
„Ich finde es schade, dass sich Gastronom*innen heutzutage keine kreativeren Lösungen für den Toilettenbereich einfallen lassen und demnach auf altbekannte Klischees und Stereotype zurückgreifen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Gesellschaft allmählich von diesen platten Geschlechterklischees verabschiedet.” Einem Klischee, dem zudem „jegliche empirische Grundlage” fehle. „Wissenschaftlich gibt es keinerlei Evidenz dafür, dass Frauen mehr sprechen als Männer. Letztlich ist die Frage nach dem Sprechanteil eine individuelle Typfrage und keine Frage des Geschlechts. Die Reduzierung und Pauschalisierung auf Letzteres ist aus meiner Sicht nicht nur diskriminierend gegenüber Frauen, sondern auch Männern gegenüber, haben diese doch auch mehr zu sagen als ‚BLA‘.“
Bettina Mötting im Express
Von der Geschäftsführerin des Brauhauses ließ sich der Express-Autor dieses Statement kommentieren („Wir fanden das einen Gag, die Überspitzung eines Klischees – zum Schmunzeln.“) – fertig ist der „Gender-Zoff“.
Wütende Reaktionen
Auch wenn der Konflikt ohne die Bestrebungen des Express-Journalisten keiner war, so ist die Nachricht über ihn in der Welt. Sie verbreitet sich (fast wortgleich) in weiteren Online-Zeitungen. Der Express teilt den Beitrag zudem via Facebook, wo der Express-Schriftzug in Regenbogenfarben von der Toleranz und Offenheit des Blattes kündet. In den zugehörigen Kommentaren kommt dagegen vor allem eines zum Ausdruck: Dass der Gleichstellungsirrsinn mal wieder völlig übertrieben werde und man aufpassen müsse, was man sagt. Schnell trifft man auf Beiträge, in denen von Sprach- und Erziehungspolizei die Rede ist.
All das ist nicht überraschend. Ärgerlich ist, dass mit der Geschichte all jenen, die Genderfragen für Nonsens halten, ein Anlass gegeben wird, sich in ihrer Erkenntnis bestätigt zu sehen. Mit solchen Berichten können sie ihr Narrativ füttern und Strohmann-Argumente tarnen.
Journalisten sind Teil dessen, wovon sie berichten
Wir lernen aus dem Verlauf, dass Journalistinnen und Journalisten nicht eine Wirklichkeit abbilden, der sie unbeteiligt gegenüberstehen. Um an Informationen zu gelangen, müssen sie zwangsläufig Teil des Geschehens werden. Sie prägen die Wirklichkeit dadurch nicht nur – erst durch sie entsteht häufig erst das, was wir anschließend „Wirklichkeit“ nennen. Der oben genannte Artikel ist ein Beispiel dafür. Umso sorgsamer sollten sie mit ihren Publikationen umgehen. Wenn der Schlagzeilen- und Clickbait-Journalismus dem nicht schon im Wege steht, dann womöglich die politische Haltung mancher Journalistin oder manches Redakteurs selbst.
Auch wenn der Streit zwischen Brauhaus und Gleichstellungsamt „in Wirklichkeit“ keiner war, so sind die Reaktionen der Leserinnen und Leser umso realer. Hier lässt sich die Frage stellen, ob die Berichterstattung dem zuträglich war, was das Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern als grundsätzliches Anliegen bereits im Namen trägt.
Die Blabla-Klotür als Marker für geschlechtliche Ungleichheit
Die Gestaltung von Toilettentüren wird nicht die tatsächlichen Ungerechtigkeiten ändern, denen Frauen wie Männer angesichts ihres Geschlechts immer noch gegenüberstehen. Und doch verweisen sie in diesem Fall auf eine grundsätzliche Problematik, aus der geschlechtliche Ungleichheit resultiert: Dass „Geschlecht“ deutlich eine soziale Dimension besitzt. Sonst würde der Aufdruck als Witz kaum funktionieren.
Genau darauf hätte die Gleichstellungsbeauftragte in ihrer Stellungnahme hinweisen können, um anschließend die Ungerechtigkeiten zu benennen, die die Folge dieser sozialen Dimension sind: Dass Frauen in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert sind, hat damit zu tun, ob Menschen Frauen zutrauen, Führungspositionen zu übernehmen. Dieses Zutrauen wird nicht gerade bestärkt, wenn Frauen das Klischee anhaftet, sie würden viel „BLABLABLA“ von sich geben.
Zudem kann man sich auch positiv auf die Türbeschriftung beziehen, um geschlechtliche Unterschiede in ihrer sozialen Dimension kenntlich zu machen. Im Gesamtdurchschnitt reden Männer und Frauen nicht unterschiedlich viel – darauf hat die Gleichstellungsbeauftragte hingewiesen. Unterschiede gibt es jedoch, wenn man sich konkrete Kontexte anschaut. So reden Frauen mehr im Rahmen von privater bzw. beziehungsorientierter Kommunikation, während bei Männern die Sprechanteile im Bereich der politischen Öffentlichkeit größer sind. Darin spiegelt sich die Aufteilung von „Machen“ (Männer) und „Kümmern“ (Frauen). Dass das so ist, ist eine Folge einer geschlechtsspezifischen Sozialisation, die Menschen durchlaufen. Und um darauf hinzuweisen, dafür bietet sich die Toilettenbeschriftung bestens an.
Insofern lässt sich aus der Frage des geschlechterspezifischen Kommunikationsverhaltens, das die Toilettentüren aufzeigen, durchaus etwas über unsere Gesellschaft und ihre inneren Konflikte lernen.