Bereits vor der Wahl war klar, dass in Sachen Klimakrise von einer künftigen Regierungskoalition nicht viel zu erwarten ist. Denn alle Parteien blieben in ihrem Wahlprogramm weit hinter den Veränderungen zurück, die für einen 1,5%-Pfad notwendig wären. Um ihren Protest gegen dieses absehbare Scheitern auszudrücken, sind ein paar Aktivist:innen in Hungerstreik getreten.
Sie haben dabei gar nicht mal inhaltliche Ziele, sondern lediglich ein Gespräch mit den Spitzenkandidat:innen der Parteien eingefordert. Gestern kam es nun zu einem öffentlichen Streitgespräch zwischen den beiden Hungerstreikenden und dem angehenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Versprochen hatte er es bereits vor der Wahl, auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde es nun öffentlich abgehalten. Es ist ein Lehrstück für den Umgang der Politik mit klimapolitischen Gegenwind, den wir in den kommenden Jahren zu erwarten haben.
Olaf Scholz konfrontierte die Diskutant:innen und das Publikum mit erwartbaren Phrasen. Hier in Verdichtung: Er will in ein paar Jahren noch viel mehr Energie produzieren; gibt keinerlei Antwort auf die Frage nach Sofortmaßnahmen; preist das lächerliche „Lieferkettengesetz“, das von allen vernünftigen Menschenrechts- und Umweltinitiativen massiv kritisiert wird; empfiehlt, „auf den Plan der künftigen Regierung zu vertrauen“; redet von einer „Veränderung des technologischen Modells“ – also nicht vom notwendigen Abstellen der Mega-Maschine aus ewigem Wachstum und Maximalprofit und der notwendigen völlig anderen Logik des Wirtschaftens. Auch in Zukunft, so Scholz, soll Deutschland „ein starkes und leistungsfähiges Industrieland sein.“
Man sollte sich nicht täuschen lassen von seiner betont zur Schau getragenen „Sachlichkeit“. Im Grunde genommen verhält er sich unverschämt: So unterstellt er den beiden tatsächlich, sie hätten „sich vorgenommen, sich nicht mit der Zukunft zu beschäftigen“. Und wirft dann der Moderatorin von der Friedrich-Ebert-Stiftung (!), die sichtlich mit den beiden Aktivist:innen sympathisiert, eine „größenwahnsinnige Selbsteinschätzung“ vor.
Genau an diesem Punkt gibt es aber leider eine ganz zentrale Gemeinsamkeit mit den beiden Aktivist:innen. Auch sie thematisieren das nämlich nicht. Ihr Ruf nach „der Wissenschaft“ ist nicht falsch, bleibt aber so lange ziemlich hilflos, wie sie nicht die Logik „unserer Wirtschaft“ als das Kernproblem identifizieren. Sie thematisieren nicht, dass ein „grüner Kapitalismus“ unmöglich ist und betreiben damit – entgegen ihrem Selbstverständnis – leider keine wirklich radikale Kritik der Zustände.
Die Aktivist:innen bringen im Prinzip viele richtigen Dinge zur Sprache. Aber sie sind in dem ganz spezifischen Sinne unpolitisch, als sie glauben, es müsse einfach jemand kommen, der die Erkenntnisse der Naturwissenschaft eins zu eins umsetzt. Die Frage, worin die Ursachen liegen könnten, dass die Politik wissenschaftliche Erkenntnisse in diesem einen Punkt so stiefmütterlich behandelt, wird zumindest öffentlich nicht gestellt.
Damit verbindet sich ein doppeltes Problem, für das das Podium allenfalls symbolisch steht und das weit in die Bewegung hineinreicht: einerseits wird die Systemfrage nicht aufgeworfen und unter den Teppich gekehrt. Und andererseits wird der Eindruck erweckt, die Politiker:innen seien nicht in der Lage, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Während die Bevölkerung das hingegen völlig anders sehen würde. Das wird etwa deutlich, wenn Aktivist:innen von Extinction Rebellion auf eine Verlagerung demokratischer Entscheidungen durch eine zufällig ausgewählten Bürger:innenversammlung setzen. Diese simple Gegenüberstellung fußt auf einer Aufteilung der Bevölkerung in eine gute, willige Masse auf der einen und eine finstere und böse Minderheit auf der anderen Seite. Dieses Bild freilich wird der Komplexität der Probleme, vor denen wir stehen, nicht gerecht.