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Green Old Deal

Jeremy Rifkin hat einen kühnen ökonomischen Plan. Und er möchte ihn verkaufen. Nicht nur an die Menschen, die seine Bücher erwerben, sondern vor allem an die politischen Entscheidungsträger*innen und die Wähler*innen innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika. Wer die besondere Schlagrichtung seiner Argumentation verstehen will, sollte sich deshalb zunächst die (nicht nur) umwelt- und energiepolitische Großwetterlage in den USA vor Augen führen.

Ein zentrales Element der amerikanischen (Selbst-)Erzählung ist das vom Pursuit of Happiness, vom Streben nach Glück: Auch wer noch so weit unten ist kann, durch eigene Anstrengung und festen Willen, den Weg nach oben schaffen. Und es ist dieser Weg, der den USA ihre heutige Größe ermöglicht hat. Es ist der Weg der Siedler, die die Frontier Stunde für Stunde und Tag für Tag ein kleines Stück zurückdrängen.
Die Wirkmächtigkeit dieser Erzählung durfte bereits der ehemalige US-Präsident Barak Obama spüren, als er ein staatlich finanziertes Gesundheitssystem etablieren wollte. Das roch vielen Bürger*innen verdächtig nach Sozialismus. Da war zu viel Staat, der im Leben der Freien und Glücklichen eine Rolle spielen sollte. Der Gegenwind war dementsprechend beträchtlich. Beträchtlich war der Gegenwind auch, als Obama im Wahlkampf einmal darauf verwies, dass viele Errungenschaften der US-amerikanischen Geschichte dadurch ermöglicht wurden, dass den nach Glück strebenden Männern und Frauen Rahmenbedingungen gegeben wurden, die ihr Streben ermöglicht haben. Und das genau darin seiner bescheidenen Meinung nach die Aufgabe staatlicher Intervention bestehe: einen Rahmen zu schaffen, der es den Menschen ermöglicht, den Weg in Richtung Zukunft selbstbewusst und erfolgreich im Namen der amerikanischen Nation zu beschreiten. Die Aussage ist ihm auf die Füße gefallen. Das hat auch Rifkin mitgeschnitten. Er weiß, dass ein Vorschlag zu einer breit angelegten öffentlichen Investition in eine wie-auch-immer-geartete Infrastruktur in weiten Teilen der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln ist. Er weiß jedoch auch, das sich etwas ändern muss, wenn die Welt (und mit ihr die USA) den Herausforderungen eines ökologischen Umbruchs gewachsen sein wollen.

Darum hat er ein Buch geschrieben, in dem er seiner us-amerikanischen Leser*innenschaft erklärt, warum solche Investitionen nicht nur notwendig, sondern für die Geschäftsleute des Landes auch profitabel und für die Zukunft Amerikas von Vorteil ist. Er macht ihnen eine landesweite smarte Infrastruktur schmackhaft, er spricht von neuen Jobs und höheren Löhnen im Bereich der regenerativen Energien, er verweist auf Wachstumsmärkte und Gewinnmargen, er warnt vor Verlusten und Abschreibungen bei den Geschäften rund um die fossilen Energieträger. Kurzum: sein Fokus sind die finanzielle Machbarkeit eines Green New Deal und die positiven Auswirkungen auf die Geldbörsen der US-Amerikaner*innen.

So verständlich diese Darstellung aus seiner Sprecher*innen-Position ist, so unumgänglich ist dann allerdings auch, das er in die klassischen Fallgruben hineinfällt, die die Debatte um eine gesellschaftliche Transformation angesichts der Klima-Krise auszeichnen. Zum einen betrachtet er die Möglichkeiten, die regenerative Energien für die Erde bereithalten, zunächst aus einer sehr allgemeinen Perspektive: er lenkt den Blick darauf, wieviel Sonnenenergie hier ankommt und wieviel Wind um uns herum weht. Genug Energie, so folgert er, wäre also da. Danach stellt sich für ihn nur noch die Frage, wie sich die entsprechenden Anlagen finanzieren lassen. Dafür braucht es dann die gewieften Winkelzüge des Green Deal.
Was Rifkin allerdings gar nicht diskutiert, sind die stofflichen Möglichkeiten einer solchen Umstellung. Welche fossilen Ressourcen werden benötigt, um die postfossile Infrastruktur aufzubauen? Welche Metalle und seltenen Erden braucht es dafür? Welche Platzkapazitäten müssen wir mit einrechnen? Und wo zur Hölle soll das alles herkommen?
Zum anderen lässt ihn sein Fokus auf die finanziellen Vorteile eines globalen Green Deal die stoffliche Rückseite dieser monetären Zusatzeinkünfte übersehen: wenn Unternehmen durch die von ihm propagierte industrielle Revolution Umsätze steigern und Gewinne maximieren können – was machen sie mit dem ganzen Geld, was da in ihre Taschen gespült wird? Wenn die Löhne der Arbeiter*innen in diesen Bereichen, wie Rifkin schreibt, überdurchschnittlich hoch sind und die Beschäftigung hier zunimmt – was machen die Menschen mit der ganzen Kohle?
Richtig – sie werden sie ausgeben. Sie kaufen neue oder zusätzliche Möbel, schicke(re) Klamotten oder legen sich ein E-Auto als Zweitwagen zu. Kurzum: sie investieren in lauter Dinge, deren Produktion nicht nur Ressourcen verschlingt, sondern auch zur Erhöhung des CO²-Ausstoß beiträgt. Die möglichen Einspareffekte, die sich Rifkin auf der Seite der smarten Infrastruktur und der regenerativen Energieträger erhofft, werden so auf der anderen Seite mit vollen Händen wieder rausgeworfen. In der ökologischen Debatte nennt sich das übrigens finanzieller Rebound-Effekt.

Solche Rebound-Effekte gibt es an allen Ecken und Enden. Zum Beispiel beim Automobil, an dem auch Rifkin festhalten möchte. Nur, dass es nun eben das E-Auto sein soll. Bereits jetzt lässt sich der wundersame Effekt bewundern, dass energiesparendere Motoren ihre Wirkung dadurch verlieren, dass ihre Halter*innen nun nicht nur mehr fahren (das Gewissen wird ja besser), sondern auch größere Autos kaufen (Stichwort: SUV). Dieses Phänomen wird sich auch dann nicht grundlegend ändern, wenn die Leute sich als Zweit- oder Drittwagen ein E-Auto zulegen. Mal ganz abgesehen von der Frage, was mit ihren bisherigen, noch immer fahrtüchtigen Autos passiert und wo die dann landen…. (In der ökologischen Debatte firmiert das übrigens als psychologischer Rebound-Effekt).
Einen wesentlichen Teil der Finanzierungsstrategie des grünen Deals stellen in den Augen von Rifkin die weltweiten Pensionsfonds dar. In denen haben die Arbeiter*innen Geld angelegt, aus dem später ihre Rente bezahlt werden soll. Insofern spricht Rifkin sie als Klasse an – als „kleine Kapitalisten“. Die Fonds sollten auf Druck der Gewerkschaften und mit dem Segen der Regierung ihr Geld lieber in grüne postfossile Investments stecken statt in die überholte fossile Infrastruktur. Das verschafft den Einleger*innen höhere Dividenden. Mit denen sie dann – ja was? – Waren kaufen können, die ihrerseits wieder die CO²-Bilanz belasten. So führen die Vorschläge von Rifkin (wie allzu oft in der aktuellen politischen Debatte) rein logisch auf die Abwägung hinaus, ob nun der sozialen oder der ökologischen Frage der Vorzug gegeben werden soll. Das Dilemma der grünen Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert.

Kurzum: Das Buch von Jeremy Rifkin ist ohne Abstriche zum Kauf zu empfehlen. Beispielsweise für Alexandria Ocasio-Cortez, die daraus das eine oder andere gute Argument für ihre politische Agenda entnehmen kann. Auch das Jacobin-Magazin sollte einige Begeisterung aufbringen können. Für die Frage einer ökologisch notwendigen und auf gesellschaftliche Emanzipation ausgerichtete Transformation der Gesellschaft hält das Werk allerdings keine Antworten bereit. Und auch an der Debatte in Deutschland geht die Message des Buches einigermaßen vorbei, wenn die schwarz-rote Bundesregierung unter Merkel als Vorreiterin grüner Technologie gepriesen wird – während im Lande selbst doch allenthalben beklagt wird, wie sehr der konservativ-sozialdemokratische Block die Sache bislang verkackt hat. Darum können wir getrost der Umwelt etwas Gutes tun und den Druck weiterer deutschsprachiger Exemplare zumindest nicht vorantreiben.


Rezension zu:
Jeremy Rifkin
Der globale Green New Deal
Warum die fossil befeuerte Zivilisation um 2028 kollabiert – und ein kühner ökonomischer Plan das Leben auf der Erde retten kann
Frankfurt/ New York : Campus Verlag

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