Als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am 20. September 2019 das Klimapaket der Bundesregierung vorstellte, verwies sie auf ein zentrales Charakteristikum von Politik. Dieses Charakteristikum „unterscheidet Politik auch von Wissenschaft und von ungeduldigen jungen Menschen.“ Was ist dieses Unterscheidungsmerkmal? „Politik ist das, was möglich ist“, so Merkel.
Es scheint also so zu sein, dass es nach Auffassung der Bundeskanzlerin Dinge gibt, von denen es gut wäre, sie umzusetzen – deren Umsetzung aber vor dem Hintergrund der Welt, wie sie gerade ist, nicht möglich erscheint. Der Gedanke ist nicht neu und wird vonseiten der Politik immer wieder geäußert. Die sich daraus ergebende Konsequenz hat Greta Thunberg bereits bei einer Rede bei den Vereinten Nationen im polnischen Katowice angesprochen: „And if solutions within the system are so impossible to find, maybe we should change the system itself .“
Die Dinge liegen also auf der Hand: es sind ernsthafte Schritte notwendig, um den Planeten auch für kommende Generationen bewohnbar zu halten. Innerhalb der herrschenden Verhältnisse lassen diese sich nicht umsetzen. Also müssen wir die Verhältnisse verändern. Nur: was zeichnet diese Verhältnisse aus? Was ist „the system“?
Einen zentralen Aspekt hat Thunberg vor einiger Zeit bei einer Rede in New York angedeutet. Angesichts des Leidens von Menschen, des Kollabierens von Ökosystemen und eines sich abzeichnenden Artensterbens sei es skandalös, die ganze Zeit nur über monetäre und ökonomische Fragen, nicht aber über ökologisch notwendige Maßnahmen zu reden: „and all you can talk about is money and fairy tales of eternal economic growth.“
Wenn sie auf Geld und Wirtschaftswachstum als zentrale Pfeiler der aktuellen Debatte um die Klimakrise abzielt, dann hat sie damit sicherlich recht. Sie legt jedoch gleichzeitig nahe, einen zentralen Aspekt der kapitalistischen Moderne zu übersehen: Der Kapitalismus zeichnet sich tatsächlich dadurch aus, dass Dinge nur machbar sind, wenn sie auch finanzierbar sind. Und er ist tatsächlich auf Wachstum und Zerstörung programmiert, ohne das der Programmcode sich so einfach ändern ließe – solange wir das Programm nicht ausschalten. Das spricht nun freilich nicht gegen einen notwendigen ökologischen Richtungswechsel – sondern nur gegen den Kapitalismus und seine Funktionsmechanismen.