Der Ball ist rund. Aber das ist im Fußball leider nicht alles. (c) Pixabay

Der (fehlende) Videobeweis als Existenzgefährdung

Was wäre der Fußball ohne Skandale? Im Herrenbereich geht es wieder hoch her. Der SC Paderborn verlor im DFB-Pokal knapp und nach einer aufreibenden Verlängerung gegen Borussia Dortmund mit 3:2.

Der medial ausgetragene Streit dreht sich nun um das fünfte und letzte Tor, geschossen in der 5. Nachspielminute vom Dortmunder Stürmer Erling Haaland. Gestritten wurde darüber, ob beim entscheidenden Pass möglicherweise ein Spieler der Paderborner Mannschaft, Svante Ingelsson, den Ball noch berührt hatte. Denn nur dann wäre der Treffer gemäß dem Regelwerk korrekt zustande gekommen. Die strittige Situation wurde zwar von einem Video-Schiedsrichter mehrfach analysiert, der Entscheidungsträger auf dem Rasen hatte sie sich allerdings nicht noch einmal angesehen. Das hatte einige der Beteiligten sehr erbost.

Nun könnte man glauben, so eine knappe Niederlage im Viertelfinale gegen einen Titelfavoriten sei doch ein schönes Erlebnis. Ein wenig ärgerlich vielleicht, möglicherweise auch ungerecht zustande gekommen, aber so ist er nun eben, der Fußball. So oder so ähnlich würde der Fall vermutlich verhandelt, würde es tatsächlich in erster Linie um das Spiel gehen.

Der Trainer der Paderborner Mannschaft, Steffen Baumgart, hat nun in der Hitze des Gefechts allerdings darauf hingewiesen, dass das gar nicht der zentrale Aspekt sei, wenn es um die Beurteilung von Fußballspielen gehe. Der Kicker etwa fasst den Zusammenhang wie folgt zusammen:

Grundsätzlich findet Baumgart den Video-Beweis gut, denn er bringt „viel Fairness“ rein. Doch er hätte von Stieler erwartet, dass dieser sich mit eigenen Augen die Situation anschaut. „Respekt bedeutet auch, sich den Scheiß anzugucken und dann eine Entscheidung zu treffen. Das ist respektvoller Umgang mit dem Gegner“, echauffierte sich Baumgart. „Das ist das Einzige. Ich erwarte, dass er, wenn es so eine knifflige Situation ist, dass er hingeht und sich das anschaut, wie in vielen anderen Situationen auch.“

Denn immerhin geht es für den Zweitligisten um viel Geld. „Es geht für uns hier um zwei Millionen Euro“, rechnete Baumgart vor. „Ich bin keine Aktiengesellschaft, wir kämpfen um jede müde Mark. Und dann kommt mir so einer so entgegen, das finde ich arrogant.

Kicker: Baumgart: „Respekt bedeutet auch, sich den Scheiß anzugucken“

Der Zusammenhang ist für uns so klar, dass wir uns nur noch selten Rechenschaft über ihn ablegen: an der Frage, ob das Tor zählt oder nicht hängt nicht nur die schöne Erinnerung der Beteiligten. An ihr hängen auch deren Existenzen. Das Fußballgeschäft ist eben in erster Linie ein Geschäft, bei dem es um Bilanzen geht. Die erfolgreich bestrittenen Spiele sind dabei eine notwendige Vorbedingung wachsender ökonomischer Erfolge. Mehr aber eben auch nicht.

Deshalb ging es in der Fußball-Welt auch so zu wie im auch sonst nur allzu oft: Trotz Corona wurden die hochprofitablen Fußballunternehmen schnell wieder hochgefahren, während viele Hobby- und Amateurvereine aufgrund der Beschränkungen vor dem Aus stehen. Aber immerhin rollt der Rubel. Nur halt für den SC Paderborn nicht ganz so umfangreich wie erhofft.

Das ist blöd für den Verein aus Ostwestfalen. Es liegt aber nicht an mangelndem „Respekt“, wie Baumgart meint. Der Verweis auf Ungerechtigkeiten im Wettbewerb mag an der einen oder anderen Stelle berechtigt sein, löst das Grundproblem aber nicht auf. Wäre das Tor nicht zustande gekommen, würden wir jetzt über eine andere Situation diskutieren.

Die vielen Absurditäten, die mit dem Videobeweis einher gehen, mit denen sich der Profifußball nun schon in der zweiten Saison herumplagt, verdanken sich dem Wunsch nach Gleichberechtigung und Fairness im Wettbewerb. Doch es ist sehr offensichtlich, dass sie dem nicht nachkommen können. Auch wenn die Millimeterentscheidungen, um die es heute geht formal korrekter sein mögen – für die Spieler sind sie kaum mehr nachvollziehbar, da die Technologie deutlich präziser arbeitet als sich dies im Gang des Spieles überhaupt erahnen ließe. Auf diese Weise verschieben sich die Unzufriedenheiten und stauen sich weiter an. Was durchaus nicht so schlimm wäre, ginge es nur um Fußball und nicht um Existenzen.

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