Doofe Predigt, aber leckeres Essen: Dönerladen neben der DITIB-Moschee in Göttingen Foto: Disposable Times

DITIB & der fehlende Antifaschismus

Das Schweigen der liberalen Mitte

Das Wissen um diese Zusammenhänge ist weder neu noch sonderlich radikal. Es findet sich in Studien wie Der islamische Weg nach Westen von Oliver Roy und sollte eigentlich bekannt sein. Auch die ideologiebedingten Ausfälle von Mustafa Keskin sind bereits seit einem Monat bekannt. Und da fällt dann das beredte Schweigen diverser linker und liberaler Medien durchaus auf. Die hatten es mit einer Veröffentlichung des von den Falken zusammengetragenen antifaschistischen Recherchematerials überhaupt nicht eilig. Stattdessen war es dann die Welt, die am 3. März als erste Zeitung überhaupt auf den Vorfall reagierte.

Direkt im Anschluss konnten sich der NDR, das katholische Domradio und das Regionalblatt Göttinger Tageblatt zu einer Berichterstattung durchringen. Kurz darauf sind auch die internationalen Zeitschriften Jerusalem Post und The Algemeiner Journal auf den Fall aufmerksam geworden. Mittlerweise hat zudem das Neue Deutschland nachgelegt. Doch warum muss das Thema erst von einer konservativen Tageszeitung in die Öffentlichkeit gebracht werden, die damit offensichtlich ihr ganz eigenes kulturkämpferisches Anliegen verfolgt?

Bemerkenswert sind dabei die Ausflüchte, die vonseiten des DITIB-Verbandes auf journalistische Anfragen geäußert werden. So schreibt der NDR:

Der Verband hat sich am Donnerstag unterdessen von den Äußerungen Keskins distanziert. „Keine der Postings und Meinungen des besagten Vorsitzenden kann auch nur ansatzweise eine Haltung wiedergeben, die bei einem DITIB-Funktionär Duldung finden könnte“, sagte der Abteilungsleiter im Bundesverband, Zekeriya Altuğ. Der Verband habe den sofortigen Rücktritt gefordert. Die Vorfälle sollen nun aufgearbeitet werden.

NDR: Antisemitismus-Vorwürfe: DITIB-Vorsitzender tritt zurück

Die Stellungnahme von Zekeriya Altuğ zielt darauf ab, dass sich eine solche „Haltung“ für einen DITIB-Funktionär nicht ziemt. „Sowas sagt man halt nicht“, lautet die etwas weniger formale Übersetzung dieser Formulierung. Vor diesem Hintergrund ist auffällig, was Altuğ explizit nicht sagt. Er betont weder, dass es den Völkermord an den Armenier*innen wirklich gegeben habe, noch verurteilt er antikurdischen Rassismus oder spricht sich für die Sicherheit der in Israel lebenden Jüd*innen aus. Die Distanzierung bleibt oberflächlich und formal. Die „Aufarbeitung“ dürfte dementsprechend auch vor allem in Form einer besseren Medienschulung stattfinden, in der den Funktionär*innen nahegelegt wird, solche Postings auf öffentlich zuordenbaren Profilen doch bitte zu unterlassen.

Auf diese Weise soll eine interne Auseinandersetzung mit den dahinterstehenden Ideologien vermieden werden. Kein Wunder, denn diese in Deutschland zu verbreiten, ist ja eines der Ziele der DITIB. Distanzierungen werden stets vage gehalten und zumeist mündlich geäußert. Schriftliche Dokumente mit Distanzierungsanteilen werden lediglich in internen Verteilern (etwa im Rahmen des interreligiösen Diskurses oder der Jugendverbandspolitik) herumgeschickt. Sie tauchen aber weder auf den Homepages des Erwachsenen- noch des Jugendverbandes auf. Auch auf den Social-Media-Auftritten etwa auf Facebook oder Intagram ist von einer Distanzierung (oder gar einer öffentlichen Gegendarstellung in Form einer Anerkennung des Völkermordes an den Armenier*innen) nichts zu lesen.

Ebenfalls aufschlussreich ist das Statement des Vorsitzenden des Landesverbands, Ali Ünlü, gegenüber der Welt:

Dem Landesverband gehören nach eigenen Angaben 84 Moscheegemeinden an, in denen mehr als 2000 Personen eine aktive satzungsbegründende Aufgabe übernehmen. Der ehrenamtliche Landesvorstand könne es nicht stetig gewährleisten, dass jedes private Profil in den sozialen Medien kontrolliert wird, und müsse allen einen Vertrauensvorschuss gewähren, sagte Ünlü.

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Diese Aussage muss traurig stimmen. Denn damit unterstellt Ünlü, dass es innerhalb der Mitgliedschaft der DITIB derart viel Antisemitismus und anderweitige gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gibt, dass es einer stetigen Überwachung durch ein dafür zuständiges Gremium bedürfe, um sie an entsprechenden Äußerungen zu hindern. Diese Einschätzung ist bitter und spricht nicht gerade für die demokratische Gesinnung der Mitgliedschaft.

Das gilt umso mehr, als in Zusammenhängen, die für Antisemitismus und Rassismus sensibilisiert sind, derartige Ausfälle auffallen und Widerspruch hervorrufen sollten. Ist tatsächlich niemanden der Verbandsmitglieder, die mit ihm via Facebook befreundet sind, etwas aufgefallen? Und falls ja: warum haben sie nichts gesagt? Doch stattdesssen blieben sie jedoch unkommentiert und ohne wahrnehmbare Kritik – und das über Jahre hinweg.

Stattdessen waschen sich die Vertreter*innen in Unschuld und klagen alle Kritiker*innen des antimuslimischen Rassismus an. Leider scheint diese Strategie zu ziehen. Bei einer Mitgliederversammlung des Landesjugendringes Niedersachsen konnte eine Aufnahme der DITIB-Jugend zwar verhindert werden, doch viele Verbände wollten sich trotz der engen Verbindung des Jugendverbandes zur Erwachsenenverband sowie weiteren Postings auch von Mitgliedern des Landesjugendvorstandes der DITIB-Jugend nicht von ihrer Zustimmung zur Aufnahme abbringen lassen. Ganz offensichtlich verwechseln sie multikulturelle Toleranz (die alles gutheißt, was zur anderen „Kultur“ zu gehören scheint) mit antifaschistischem Selbstbewusstsein.

Das ist nicht zuletzt ein Schlag ins Gesicht etwa von Jugendlichen, die selbst vom Rassismus der türkischen Regierung betroffen sind und sich vor den spitzeldurchsetzten Zusammenhängen rund um die DITIB zurecht fürchten.

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