Was alles umsonst produziert wird: Ressourcenschleuder Kapitalismus
Nicht nur das: Etwa ein Viertel der Lebensmittel wird im Supermarkt weggeworfen. (c) Pixabay

Der Kapitalismus, eine Ressourcenschleuder

Der Kapitalismus beruht zentral auf der Produktion von Waren mit dem Ziel, diese gegen Geld verkaufen zu können. Die dauerhafte und erfolgreiche Herstellung von Waren ist jedoch durchaus voraussetzungsvoll. Sie erfordert eine gewisse gesamtgesellschaftliche Rahmung, die diese Produktion überhaupt erst möglich macht. Diese Rahmung selber ist jedoch sehr kostenintensiv – und zwar sowohl monetär als auch stofflich. Sie wirkt als riesige Ressourcenschleuder.

Es würde den Rahmen dieses kurzen Beitrags überschreiten, hier eine vollständige Aufzählung der entsprechenden stofflichen Größen zu leisten, doch anhand einiger Beispiel soll deutlich gemacht werden, in welchen Bereichen und Dimensionen hier gedacht werden kann.

Dabei soll deutlich werden, dass Ressourcenverbrauch nicht nur auf die technisch-stoffliche Tatsache zurückzuführen ist, dass überhaupt Dinge produziert werden. Ein erheblicher Teil des Produktion findet vielmehr überhaupt erst statt, weil er als kapitalistischen Warenproduktion organisiert ist. „Verzicht“ als Reaktion auf die Klimakrise wäre also gar nicht notwendig, würden wir uns auf eine andere Art der Produktion festlegen. Dieser Beitrag möchte die Bereiche, an denen wir dies feststellen können, kurz andeuten.

Ganz grundsätzlich bringt die Warenökonomie in allen ihren Teilbereichen gesonderte Aufwände mit sich: bei der Herstellung der Waren (Produktion), bei ihrer Verteilung (Distribution), bei der Abwicklung der finanziellen Angelegenheiten (Zirkulation) sowie beim Verbrauch (Konsumtion) der Waren.

Ressourcenschleuder Produktion

Die Beispiele im Bereich der Produktion sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel diskutiert worden. Da werden die frisch gefangenen Krabben direkt vom Nordseekutter per Lkw nach Marokko gebracht, dort gepult und anschließend mit dem Lkw wieder zurück auf den Fischmarkt an der Nordsee gefahren. Das Ganze ist stofflich der reinste Unsinn. Nicht nur, dass die Fahrten des Lkw unnötigerweise Benzin verschwenden, das Transportfahrzeug muss zuvor überhaupt erst mal gebaut werden (was ebenfalls mit Naturverbrauch und Klimabelastung einhergeht). Aber es lohnt sich eben finanziell, da die Arbeitskraft in Marokko derart günstig zu haben ist, dass am Ende der eine oder andere Euro übrig bleibt.

Was für Krabben gilt, gilt für Lebensmittel, die aus mehreren Komponenten zusammengesetzt sind, um so mehr. Bereits 1992 kam der Produktionsbericht eines Joghurt-Bechers zu einiger Prominenz, der mit all seinen Bestandteilen insgesamt 7.587 km zurücklegen musste, bis er schließlich im Supermarkt vor der Haustür landete. Ganz ähnlich sieht es beim Phänomen der geplanten Verschwendung aus, über das wir bereits an anderer Stelle berichtet haben.

Auch die Frage des Pendelns mit dem Pkw hat in der konkreten Organisation der Produktion eine ihrer wesentlichen Ursachen. Denn nur weil Freizeit und Arbeit voneinander getrennt sind, weil der Ort des Wohnens von dem der Produktion getrennt liegt und dementsprechend die lohnabhängig Beschäftigten Kilometer um Kilometer abreißen müssen, um zur Arbeit zu kommen, ergibt sich überhaupt das Phänomen des Pendelns. Dass dann noch gesondert Ressourcen verbraucht werden, weil sich in der täglichen Rushhour die Autos stauen, setzt dem noch das i-Tüpfelchen auf. Die Frage nach einer CO²-Steuer für den Verkehr oder die Debatte um eine (erneute) Abwrackprämie würden sich gar nicht stellen, gäbe es diese unsinnige gesellschaftliche Organisation nicht.

Ressourcenschleuder Warenverteilung

Wenn die Waren schließlich erstmal produziert sind, wollen sie auch verkauft werden. Dazu werden sie für gewöhnlich über den Groß- in den Einzelhandel verfrachtet und dann in entsprechenden Warenhäusern verkauft. Auch hier fällt auf, dass unabhängig von der technischen Funktionalität so eines Warenhauses immer mal wieder neue Gebäude gekauft oder Standorte verlagert werden. Nicht, weil die bisherigen Warenhäuser den Ansprüchen an Lagerung und Weitergabe der Güter nicht mehr genügen würden – sondern weil die jeweils angestrebten Marketing-Konzepte und die ökonomisch rentable Betriebsgröße mit den konkreten Gegebenheiten vor Ort kollidieren. Dann werden riesige Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese gebaut, während in der Innenstadt funktionstüchtige Gebäude vor sich hinrotten. Dabei werden nicht nur Ressourcen zum Bau der neuen Gebäude verschwendet – es findet auch ein immenser Flächenverbrauch statt, da an den entsprechenden Orten keine Wälder, Sportplätze oder Kinderspielplätze mehr stehen können.

Ressourcenschleuder Geldzirkulation

Und nicht nur die Waren wollen unter‘s Volk gebracht werden. Auch die Geldströme müssen fließen und entsprechend organisatorisch begleitet werden. Dazu braucht es ein Heer an Versicherungs- und Börsenmakler*innen, Bank- und Sparkassenangestellten und dergleichen mehr. Alle diese Berufe tragen nichts zur konkreten Befriedigung von Bedürfnissen bei, sondern organisieren lediglich den monetären Ablauf der ganzen Veranstaltung. Gäbe es den nicht, weil die Dinge als Dinge verteilt und nicht als Waren produziert und zirkuliert würden – dann bräuchte es auch diese Jobs nicht. Und mit ihnen auch nicht die Häuser und Großraumlimousinen, die für das Sozialprestige der Beteiligten so unerlässlich sind.

Ressourcenschleuder Werbeindustrie

Dazu kommt der ganze Bereich der Werbung und der Publik Relationships. Sicherlich ist nichts gegen eine gute Produktinformation einzuwenden, aber der Aufwand, der für das heutige Werbebusiness betrieben wird, hat damit kaum noch etwas zu tun – wenn überhaupt. Und auch hier wird nicht nur die Lebenszeit von Menschen verbraucht, es werden auch Ressourcen in nicht zu unterschätzendem Maße verplempert.

Dazu kommt, dass in diesem Bereich erst die Bedürfnisse geschaffen werden, die dann Morgen zum weiteren Wachstum der Wirtschaft beitragen. Sehr prägnant hat diesen Gedanken bereits in den 1950er Jahren der damalige Präsident von Stanley Resor, der seinerzeit größten us-amerikanischen Werbeagentur, auf den Punkt gebracht:

Wenn Sie die Leute fragen ,Wissen Sie, dass sich Ihr Lebensstandard in zehn Jahren um 50 Prozent erhöhen wird?‘, dann haben sie nicht die geringste Ahnung, was das bedeutet. […] Sie haben kein Bedürfnis nach einem Zweitwagen, sofern man sie nicht daran erinnert. Dieses Bedürfnis muss in ihnen hervorgerufen werden, und man muss ihnen den Vorteil begreiflich machen, zu dem ein Zweitwagen ihnen verhelfen wird. Manchmal sind sie sogar völlig dagegen. Ich betrachte die Werbung als eine Erziehungs- und Aktivierungskraft, die in der Lage ist, die für uns notwendigen Nachfrageveränderungen einzuleiten. Indem sie vielen Leuten einen höheren Lebensstandard beibringt, steigert sie den Konsum bis zu dem Grad, dem unsere Produktvitität und unsere Ressourcen gerecht werden.

Andre Gorz: Wege aus dem Kapitalismus, S. 68f.

Ressourcenschleuder Sicherheitsgewerbe

Und damit nicht genug: Da die verallgemeinerte Warenproduktion im Kern darauf beruht, dass sich Private als privat Interessierte gegeneinander in die Konkurrenz begeben, braucht es eine stete Absicherung, dass hier niemand den anderen mehr als unbedingt notwendig über‘s Ohr haut. Hier kommen die öffentlichen und privaten Sicherheitsunternehmen (Militär, Polizei, Strafverfolgungsbehörden etc.) ins Spiel. Auch die Produktion von Geldtransportern, Sicherheitssafes und Supermarktkassen fällt in diese Kategorie. Im Falle einer Streitigkeit spielen Jurist*innen eine wesentliche Rolle. Denn gerade wenn es um entsprechende Summen geht, fließen gute Gehälter, die ihrerseits in ordentliche Bürogebäude und Firmenwagen umgesetzt werden.

Zu all diesen direkten ökologischen Kollateralschäden kommen noch menschlichen Kollateralschäden, die in Form von Arbeitsunfällen, Depressionen und dergleichen mehr Leiden verursachen, behandelt werden müssen und zu allem Überfluss selbst wieder Ressourcen verschlingen (etwa durch den Bau von Krankenhäusern oder -wagen).

Es zeigt sich also, dass es eine ganze Reihe an Einsparmöglichkeiten gibt, was Ressourcenverbrauch und CO²-Ausstoß gibt, noch bevor wir uns darüber unterhalten müssen ob „wir alle uns einschränken müssen“, wie es von politischer Seite immer wieder gefordert wird. Ganz im Gegenteil: zentrale Einsparpotentiale liegen gerade in den Bereichen, die nicht für die Nöte der Menschen, sondern für die Aufrechterhaltung der Systemerfordernisse notwendig sind.

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