Taylor Swift und Band: Ist das Ausbeutung oder was passiert da eigentlich? Wikimedia

Macht Taylor Swift ihr Geld mit Ausbeutung?

taiyo the otter fragte auf Twitter, ob das eigentlich Ausbeutung sei, was Taylor Swift den ganzen Tag macht.

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Aus der Perspektive der Kategorien, die Marx in seiner Kritik der Politischen Ökonomie entworfen hat, ist die Frage gar nicht so einfach zu beantworten. Darum mal von hinten durch die Brust ins Auge.

Was ist Ausbeutung bei Marx?

Marx stellt dar, dass die sozialen Beziehungen im Kapitalismus im Wesentlichen als “Wert” konzipiert sind. Das funktioniert (wirklich hart vereinfacht) so: Menschen verausgaben Arbeit (“gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit”). Damit stellen sie (besondere) Waren her. Die tauschen sie dann gegen Geld (allgemeine Ware).
Weil die meisten von uns keinen Zugriff auf Produktionsmittel haben, können wir nicht einfach selber was herstellen. Also verkaufen wir unsere Arbeitskraft an findige Unternehmen. Um so viel Wert zu produzieren, wie wir selber brauchen, um unsere Arbeitskraft zu den gängigen Bedingungen (“historisches und moralisches Element”) am Start zu halten, dauert es aber nur den halben Arbeitstag. Vertraglich vereinbart ist aber ein ganzer Tag (dessen Länge ebenfalls historisch variieren kann).
Diese Differenz zwischen “Reproduktion der Arbeitskraft” (“variables Kapital”) und dem Arbeitstag in Gänze nennt Marx “Mehrwert”. Und weil der vom Unternehmen angeeignet wird, spricht der Marxismus an dieser Stelle von Ausbeutung.

Ausbeutung bei Taylor Swift

Nun könnten wir diskutieren, ob Taylor Swift nicht auch Leute beschäftigt, die Arbeit verausgaben, um eine besondere Ware (Musik) herzustellen. Sie braucht ja schließlich Licht- und Tontechniker:innen, Studiomusiker:innen, eine Backstage-Crew bei Konzerten, Leute, die ihre Abrechnungen machen und dergleichen mehr. Insgesamt kriegt der ganze Staff weniger als Geld beim Unternehmen Taylor Swift eingeht. Das ist dann die Ausbeutung.

Schwierig wird das nicht nur, weil Taylor ja selber einen wichtigen Teil zur Herstellung des Produktes einbringt. Das würde uns zur Debatte darüber führen, wie viel sie selbst erarbeitet und wie viel sie sich durch Ausbeutung aneignet. Wir können auch fragen, in welchem Verhältnis die Produktion der Songs durch die Swift & Co als “unmittelbare Produzent:innen” zur Rechtsposition der Plattenlabels steht. Verkaufen nicht die letztlich die Musik? Ist Swift vielleicht selber nur Scheinselbständig?

Darüber hinaus gibt es aber noch einen wesentlicheren, dieser Frage übergeordneten Punkt. Die Frage nämlich, ob wir es hier überhaupt die oben geschilderte soziale Beziehung “Wert” zu tun haben.

Bezieht Taylor Swift eine Rente?

Damit Ausbeutung vorliegt, muss Taylor Swift einen Mehrwert einbehalten. Oder (im Falle der Plattenfirma) selber Wert produzieren, der dann einbehalten wird. Um das zu überprüfen, müssen wir uns aber von den moralischen Konnotationen des Begriffs “Wert” lösen. Marx geht es dabei um eine analytische Kategorie – nicht z. B. um die Frage, ob uns die Musik gefällt oder nicht.

Mit dem Begriff “Wert” beschreibt Marx die soziale Beziehung zwischen vereinzelten Individuen, die ihre Gesellschaftlichkeit über die Produkte ihrer Arbeit herstellen. Ich produziere etwas und gebe es dir. Danach habe ich zwar das Geld, aber keinen Zugriff mehr auf die Ware. Das ist ganz klar am Beispiel des Brotes: Wenn ich es gebacken habe, dann gebe ich es dir. Danach bekomme ich das Geld, aber kann auch auf das Brot nicht mehr zugreifen. Das wird dann (vermutlich) von dir mit viel Genuss gegessen. Guten Appetit!

Bei Liedern handelt es sich nun aber nicht um handfeste Waren wie bei Broten. Wenn ein Song auf einer Musikplattform gestreamt wird, dann ist das Lied ja nicht “weg”. Die Eigentümer:innen an den Rechten können weiterhin darauf zugreifen. Lieder werden mehrfach gestreamt (und nicht jedes Mal neu aufgenommen).

Das ist ebenfalls eine spezifische soziale Beziehung – aber es ist nicht die soziale Beziehung, die Marx als “Wert” beschrieben hat. Es handelt sich vielmehr um eine “Informationsrente”. Das ist Geld, das für die Nutzung einer Ware bezahlt werden muss, deren Preis sich nicht in erster Linie durch die Verausgabung von (abstrakter) Arbeit (“gesellschaftlich durchschnittlich notwendig”) ergibt.

Bezahlt werden muss das Informationsgut freilich trotzdem. Und wo das Geld dafür herkommt, ist dann noch mal eine andere Sache. Wird es von Arbeiter:innen konsumiert, so haben die das Geld vorher in Form eines Lohnes bekommen. Die Informationsrente wird in diesem Fall durch variables Kapital gezahlt.

Wenn sich ein Unternehmen via GEMA die Rechte am Abspielen eines Liedes auf der Firmenfeier sichert, dann wird die Rechnung aus dem zuvor von den Arbeiter:innen des Unternehmens einbehaltenen Mehrwert gezahlt.

Wenn Swift sich also mit Scooter Braun über die Details der vertraglichen Beziehungen zwischen ihr und dem Musiklabel streitet, dann mag es da um Abhängigkeits- und Machtbeziehungen gehen, aber zunächst einmal nicht um Ausbeutung im Sinne der marxschen Kritik der Politischen Ökonomie.

Der Spätkapitalismus als Rentenöknomie

Solche Rentenzahlungen nehmen im Spätkapitalismus übrigens immer mehr an Bedeutung zu. Informationsrenten fließen ja nicht nur, wenn Musik gestreamt wird. Die sind auch im Spiel, wenn die Rechte an Filmen, Computerspielen, Office-Paketen oder Betriebssystemen erworben werden.
Wenn über steigende Mieten diskutiert wird, dann geht es ebenfalls um eine Rentenökonomie. Der begrenzte Raum der Erdoberfläche wird in Privateigentum verwandelt und kann auf diese Weise zur (indirekten) Profitquelle werden. Auch bei den gerade steigenden Preisen von Grundnahrungsmitteln (Getreide, Obst, Gemüse) und Energie (Gas, Strom) schlägt die von Marx sog. “Differentialrente” zu.

Aber keine Angst: die Probleme, die der Spätkapitalismus hervorbringt, werden nicht weniger. Darum sind wir in diesen Fragen bestimmt bald alle Expert:innen.

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