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Wie die Stadt Hamburg Klimakolonialismus betreibt

Um die heimische Energieversorgung auf regenerative Energie umzustellen, sucht die Hamburger Umweltbehörde nach neuen Energieträgern. Glücklicherweise gibt es auch in postkolonialen Zeiten gute (Abhängigkeits-)Beziehungen zur alten Kolonie Namibia. Nun möchten die Behörde als sog. “Busch-Holz” aus Namibia nach Hamburg importieren, um es dort zu verbrennen und damit Energie zu erzeugen. In Namibia selbst gelten die dort seit einiger Zeit in den Savannen wachsenden Büsche als Problem, da sie den heimischen Tierbestand gefährden.

Entstanden ist dieses Problem durch die stärkere Einbindung der Flächen in die landwirtschaftliche Produktion für den globalen Markt. So schreibt etwa die Stadt Hamburg in einem Hintergrundbericht zur Begründung der Initiative:

Die Hauptgründe dafür liegen in jahrzehntelanger Überweidung, der Unterdrückung von natürlichen Savannenfeuern und der Verhinderung der natürlichen Wanderungen von Wildtieren durch Zäune. Weitere Ursachen sind die Zunahme von CO2 in der Atmosphäre und Änderungen in Niederschlagsmustern aufgrund des Klimawandels, die das Wachstum von verholzenden Arten gegenüber Gras begünstigen.

Die Ausbreitung der Verbuschung hat ihre Ursachen im Kapitalismus und negative Folgen für die vor Ort lebenden (menschlichen und nichtmenschlichen) Tiere:

In verbuschten Gebieten gehen Wildtierpopulationen stark zurück, so zum Beispiel bestimmte Antilopenarten, Zebras und auch der vor Aussterben bedrohte Gepard.
Deshalb ist auch der Safari-Tourismus massiv betroffen und damit ein Fundament des namibischen Tourismussektors, der mit einem Anteil von 15% am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Namibias eine zentrale Rolle für die Wirtschaft des Landes spielt.

Wenn nicht nur Tiere leiden, sondern zu allem Überfluss auch noch die Wirtschaftsleistung sinkt, dann muss selbstverständlich etwas getan werden. Jetzt sollen die Büsche also abgeholzt und das Holz nach Hamburg geschifft werden. Und zwar nicht einmalig, sondern dauerhaft. Da Holz als nachwachsender Rohstoff gilt, hätte das eine positive Auswirkung auf die Klimabilanz der Stadt Hamburg. Und unsere Klimabilanzen wollen wir ja schließlich in Ordnung halten. So schreibt die Stadtverwaltung:

Biomasse kann als nachwachsender Rohstoff mit deutlich weniger CO2-Emissionen als Brennstoffersatz für Kohle entweder als Zufeuerung oder in einer komplett neuen Anlage eingesetzt werden und somit den Kohleausstieg unterstützen. Die Mengen dafür sind bis jetzt noch nicht endgültig bestimmbar. Wärme Hamburg prüft unterschiedliche Szenarien für den Ersatz von Kohle, wobei Biomasse generell und Biomasse aus Namibia eine Option darstellt. Die Szenarien bewegen sich zwischen 100.000 und 1 Mio. Tonnen pro Jahr.

Nun tut sich hier freilich schon das erste Problem auf: Damit dieser nachwachsende Rohstoff dauerhaft nach Hamburg transportiert werden kann, müsste er dauerhaft in Namibia nachwachsen und dort die Wildtierpopulationen und den Tourismus einschränken. Die ökologische (und ökonomische) Notsituation, die als düsteres Ausgangsszenario an die Wand gemalt und als Begründung für uneigennütziges Handeln angeführt wurde, erscheint so doch eher fraglich.

Doch nehmen wir trotzdem mal kurz an, das würde irgendwie funktionieren. Die Stadt Hamburg jedenfalls hat alles mal durchgerechnet und kommt zu dem Schluss:

Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Emissionen durch die Ernte, den Transport zur Verarbeitung, die Verarbeitung selbst, die Verschiffung nach Hamburg und die Landnutzung nach der Ernte berechnet und in Relation zu anderen Energiequellen gesetzt. Diese Betrachtung ist sehr komplex und wird daher in unterschiedlichen Szenarien dargestellt. Bei dem derzeit als am wahrscheinlichsten angesehenen Szenario kommt die Berechnung auf CO2-Emissionen von ca. minus 26 gCO2/kWh. Minus deshalb, weil in diesem Szenario langfristig vor Ort mehr CO2 gespeichert wird, als die anderen Prozessen (Transport, Verbrennung etc.) emittieren. Diese Berechnung zeigt, dass die Verwertung von namibischer Biomasse trotz des langen Transportweges im Vergleich beispielsweise zu Erdgas eine wesentlich bessere CO2-Bilanz vorweisen kann.

Trotz des langen Reiseweges von über 10.000 Kilometern ist das importierte Holz CO2-technisch günstiger als der aktuelle Energiemix der Stadt Hamburg. Das spricht Bände über die derzeitige Versorgungslage in den europäischen Metropolen. Doch wie viel günstiger könnte das Holz in Namibia eingesetzt werden. Denn dort wäre in Sachen nachhaltiger Energieproduktion auch noch einige Luft nach oben. Insoweit die Energie nicht aus Südafrika importiert wird, muss auf bisweilen auf Produktionsmethoden zurückgegriffen werden, die nicht umfassend für ihre Umweltfreundlichkeit bekannt sind:

Der staatliche Stromversorger NamPower betreibt selbst drei Kraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 493 MW (2016):das Wasserkraftwerk Ruacana mit 350MW, das Kohlekraftwerk Van Eck mit 120 MW sowie das Dieselkraftwerk Anixas mit 23 MW installierter Leistung.

Während das Holz also in Namibia ohne Transportwege gut einsetzbar wäre (und das mit einem noch effektiveren CO2-Einspareffekt), möchte sich die Stadt Hamburg nun einen zwar deutlich geringeren, aber trotz allem noch messbaren Einspareffekt aneignen. Diese Aufhübschung der eigenen Klimabilanz nennt man dann wohl Klimakolonialismus.

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