Auch die Marktwirtschaft würde sie nicht retten: Wären alle Wale Privateigentum, würde es sich trotzdem lohnen, die Art weiter zu dezimieren. (c) Pxhere

Rettet die Marktwirtschaft den Planeten?

In ihren Reden verweist Greta Thunberg immer wieder auf die (stofflich-sinnliche) Notwendigkeit, ökologische und soziale Zerstörungen zu verhindern. Ihren Ausführungen werden immer abstrakt-gesellschaftliche Einwände entgegengehalten: das alles sei nicht bezahlbar, vernichte Arbeitsplätze und sei überhaupt rechtlich gar nicht so schnell umsetzbar wie gefordert. Die Marktwirtschaft und marktwirtschaftliche Instrumente wie der Emissionsrechtehandel sollen die Sache regeln. Dabei wechseln die Protagonist*innen allerdings die argumentative Ebene: Sie reden plötzlich nicht mehr über notwendige (technische oder „stoffliche) Veränderungen, sondern über die gesellschaftlichen Mechanismen, die diese vor ihre Umsetzung durchlaufen müssen. Und plötzlich erscheint die eben noch glasklare Forderung plötzlich ganz irreal.

Thunberg hingegen hält an ihrer Darstellung fest und macht – wie auch andere Vertreter*innen von Fridays for Future – die konkret-stoffliche Dimension gegen die abstrakt-gesellschaftliche stark. Sie verweist auf die Existenz einer Klima-Krise und fordert umgehend, alle technisch möglichen Maßnahmen zur Erhaltung der menschlichen Lebensumwelt einzuleiten. Das gilt auch für andere Vertreter*innen der Bewegung. Luisa Neubauer etwa, das deutsche Aushängeschild der Bewegung, war als Rednerin bei einer Hauptversammlung von RWE geladen. Im Hinblick auf die vielen von dem Energieriesen betriebenen Kohlekraftwerke forderte sie: „Schalten Sie ab, noch dieses Jahr!“.

Für Politik, Wirtschaft und Medien gelten derlei Forderungen freilich als unrealistisch. Der Spiegel etwa kommentierte: „Als wäre es ihr ziemlich egal, dass das so schnell kaum geht – auch das typisch für die neue Bewegung: Um den Kleinkram sollen sich gefälligst die Profis kümmern“ (Spiegel 23/2019, S. 18).

Ignorieren wir für einen kleinen Moment, dass die meisten der Forderungen, die von der Bewegung ins Spiel gebracht werden, aus wissenschaftlichen Untersuchungen stammen (und nicht von Amateur*innen, die alles weitere den „Profis“ überlassen wollen). Wieso wäre ein so schneller Umstieg eigentlich nur schwer möglich? Rein von den stofflichen Infrastrukturen können wir feststellen, dass es in den vergangenen Jahrzehnten schlicht und ergreifend versäumt wurde, die notwendigen Vorleistungen aufzubringen, die ein rasches Handeln heute möglich machen würden. Hätten die politischen Eliten also ihre Hausaufgaben gemacht, wäre der Handlungsspielraum von Politik und Wirtschaft nicht ganz so beengt, wie er derzeit es ist.

Doch selbstverständlich steckt auch hier mehr dahinter: Denn jede Investition in erneuerbare Energien ist eben eine Investition und kostet als solche Geld. Geld, das per definitionem ein knappes Gut ist und mit dem Regierung und Wirtschaft sparsam umzugehen angehalten sind. Sehr anschaulich hat das sich daraus ergebende Geplänkel innerhalb der administrativen Arbeitsteilung unlängst der Spiegel dargestellt:

„So wird es verständlich, warum keine Regierung es wagte, ein gestaltungsstarkes Energieministerium zu fordern, sondern die Kompetenzen gedrittelt hat: verteilt auf das Kanzleramt, das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium. In dieser unheiligen Dreifaltigkeit spielt sich immer das gleiche Handlungsmuster ab. Das Umweltministerium prescht mit Maximalforderungen vor. Das Wirtschaftsministerium warnt vor dramatischen Jobverlusten. Und das Kanzleramt drückt sich vor Entscheidungen“

(Der Spiegel 19/2019, S. 15)

In der Politik geht es also nicht nur und nicht einmal in erster Linie um die Durchsetzung des stofflich möglichen und ökologisch gebotenen. Darauf zielt nicht nur Merkels Satz von der Politik als dem Versuch, eben das zu tun, was möglich sei. Noch deutlicher wurde der Sachverständigenrat der Bundesregierung in einer Studie vom Juli 2019. Hier verwies er ganz ausdrücklich darauf, dass auch eine Erderwärmung um 3 Grad durchaus akzeptabel sei, denn in der „Klimapolitik muss eine Balance zwischen dem durch sie zu erreichenden Nutzen und den mit ihr verbundenen Kosten gefunden werden.“ Und so zitieren sie auch einen Forscher der berechnet hat, dass allen ökologischen Schäden zum Trotz das „optimale Kosten-Nutzen-Verhältnis selbst unter pessimistischen Annahmen[…] sich demnach bei einem Emissionspfad einstellen [würde], der bis zum Jahr 2100 zu einer Erderwärmung um 3 Grad führt.“ Der Sachverständigenrat bleibt hier rein auf der monetären Ebene und schaut, wie sich die Dinge finanziell darstellen. Alles andere spielt (systemisch bedingt) keine Rolle. Ob dabei ein paar Arten auf der Strecke bleiben, die Wüstenbildung zunimmt oder Polarkappen abschmelzen, taucht in dieser Rechnung nicht auf.

Als Gegenmittel gegen derlei Ökonomismus wird oft ein noch konsequenterer Ökonomismus gepriesen. Die ganzen Arten, die da aussterben, die sind halt nicht Teil der ökonomischen Rechnung. Wären sie das, sähe das Ergebnis vermutlich anders aus. Wären, um nur ein Beispiel zu nehmen, alle Wale Privateigentum – dann müssten sich die Eigentümer*innen gut überlegen, wie viele davon sie fangen. Sind es zu viele, graben sie sich ihre langfristige Profitbasis ab, da sie dann in ein paar Jahrzehnten gar keine Wale mehr fangen und mit ihnen Gewinne machen könnten.

Dieser Vorschlag geistert bereits seit einigen Jahrzehnten durch die Debatte, wurde jedoch bereits vor einiger Zeit widerlegt. Der Mathematiker Colin W. Clark hatte sich das Szenario ein wenig genauer angesehen und nachgerechnet. Würden die Eigentümer*innen tatsächlich im ersten Jahr den gesamten Walbestand töten – so wäre in den nächsten Jahren keine Jagd mehr möglich. Die zusätzlichen Gewinne, angelegt an den Finanzmärkten dieser Welt – würden allerdings Erträge ergeben, die die aus der Waljagd um ein Beträchtliches überstiegen. Auch Privateigentum zu sein, hilft im Kapitalismus nicht, um der Vernichtung zu entgehen.

Als ähnlich unsinnig erweist sich die Idee, die Einsparung von klimaschädlichen Emissionen dadurch zu vergüten, dass Rechtstitel auf die Verschmutzung der Luft erworben werden können, die dann an andere Marktteilnehmer*innen verkauft werden können. Die Logik hinter diesem Emissionsrechtehandel ist perfide: Da gibt es offensichtlich technische Lösungen, um Emissionen einzudämmen. Doch anstatt diese global anzuwenden, wird ein Mechanismus erfunden, der es denen, die sie nicht einsetzen, trotzdem die Möglichkeit bietet, weiter am globalen Wettbewerb teilhaben zu können. So entpuppt sich der Emissionsrechtehandel als Emissionseinsparungsverhinderungshandel.

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