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Arbeit für alle (2): Schuften statt faulenzen

Im vielleicht größten linken Wirtschaftspodcast sprechen die beiden Influencer Wolfgang M. Schmitt und Ole Nymoen über die Natürlichkeit und Notwendigkeit der Arbeit. Dabei entpuppen sie sich als bürgerliche Arbeitsfanatiker.

Wer den Beitrag noch nicht kennt, kann ihn hier nachhören bzw. ansehen:

Wesentlich für ihre Position ist die Affirmation der Arbeit als einer Selbstverständlichkeit, die für jede Gesellschaft halt einfach dazu gehört. Wir möchten uns daher in diesem Beitrag kurz mit der Position, die sie dazu im Podcast vortragen, kritisch auseinandersetzen.

Denn gerade die Unterwerfung unter die Arbeit, die Lafargue (und übrigens auch Adorno) kritisiert, ist für Nymoen und Schmitt nicht Teil eines gesellschaftlichen Arrangements (oder wie es bei Marx heißt: einer Gesellschaftsform) sondern Teil der Naturgeschichte. Darum erscheint ihnen die Kritik daran auch als moralische Kritik statt als Verweis auf eine Fehlbestimmung der politischen Transformationsperspektive.

Nymoen und Schmidt machen stattdessen eine andere Frontstellung auf: auf der einen Seite stehe die materialistische Kritik, die die Lage der Arbeiter:innen aus deren materieller Lage und aus staatlichem und gesellschaftlichem Zwang erklärt. Und auf der anderen Seite stehen idealistische Weltdeutungen, die diese Zwänge aus den falschen Gedanken der Menschen erklären wollen. Damit machen sie aus Lafargue einen stumpfen Weberianer und streichen die Problemstellung, auf die er verweist, schlechterdings durch. 

Genau so fallen dann auch ihre erklärenden Beispiele aus: Die Arbeitskritik wird dann mit großem Gestus auf den Bourgeois auf dem Golfplatz reduziert, der vor lauter Wohlstandfeeling nicht mitbekommt, dass für den Rest der Welt ein Arbeitszwang gilt. (6:32 Min). Arbeitskritik, so lernen wir bei den beiden, sei eine Frage, die Menschen sich erst „ab einer gewissen Einkommensklasse“ leisten können.

Dabei ist es selbstverständlich richtig, dass es reale gesellschaftliche Zwänge gibt, die Menschen zur Arbeit treiben. Die stehen allerdings allzu häufig nicht in Opposition zum herrschenden Bewusstsein der Arbeitenden Massen, sondern gerade in der Falllinie dessen, was die Menschen für natürlich halten. Die Ausstrahlung, die noch heute von Lafargue ausgeht, besteht hingegen gerade in der Infragestellung dieser Selbstverständlichkeiten.

Was ist Arbeit?

Schmidt und Nymoen hingegen verstehen Arbeit „als Betätigung für die Gesellschaft nicht immer entfremdet sein müsste“ (Min. 8:21). Blöd ist dann die Entfremdung (die für sie vermutlich aus der kapitalistischem Klassengesellschaft kommt) eines „eigentlich“ ganz sinnvollen Prinzips. 

Dabei entspringt diese „Entfremdung“ ja schon der ganz grundsätzlichen Konstitution der kapitalistischen Gesellschaft. Denn hier werden Dinge nicht einfach hergestellt um nützliche Dinge „als Betätigung für die Gesellschaft“ herzustellen, sondern zum simplen Zweck aus einem Euro zwei zu machen. Dafür muss zwar der Eindruck erweckt werden, die produzierte Ware sei auch nützlich (Marx spricht hier vom „Gebrauchswert“ der Ware), das Ziel der Produktion und damit das Ziel der Arbeit hingegen ist die stumpfe Verwertung des Werts.

Ohne diese Verallgemeinerung wäre es auch kaum möglich, den Begriff der Arbeit überhaupt als übergreifende Bezeichnung für Tätigkeiten zu verwenden. Die Gemeinsamkeit der Tätigkeiten von Bäckern, Schmiedinnen und Bombenbauer:innen besteht ja gerade darin, dass sie verallgemeinerte Waren für einen anonymen Markt produzieren.

Daher ist es auch kein Wunder, dass der Begriff der Arbeit vor der Durchsetzung der kapitalistichen Produktionsweise durchweg negativ besetzt war und auf bestimmte, zumeist von Sklaven durchgeführte Tätigkeiten verwiesen hat. Erst mit dem Kapitalismus hat sich der Begriff verallgemeinert und wurde als etwas sowohl natürliches als auch wünschenswertes verallgemeinert. Darüber erzählen Schmidt und Nymoen freilich nichts.

Ihnen gilt die „Erwerbsarbeit“ als Gegenbegriff zu Arbeit. Was dann allerdings „Arbeit“ im Unterschied zum Begriff der „Tätigkeit“ bezeichnen soll, bleibt das Geheimnis der Youtuber. Problematisch wird für sie erst die „unbezahlte Arbeit“, bei der sich ein Teil des Arbeitsergebnisses unrechtmäßig von den Kapitalist:innen angeeignet wird. Das sie diese Position dann auch noch dem armen Marx zuschieben (Min 20:00 ff) der weit von einer solchen simplen Gegenüberstellung entfernt war, ist traurig, in der deutschsprachigen Linken aber nichts ungewöhnliches.

„Das Wort Faulenzen ist mir suspekt“ sagt Wolffang M. Schmitt bei Min. 9:36. Stattdessen empfiehlt er, „die Zeit sinnvoll“ zu verbringen. 

Das Zeit sinnvoll genutzt und nicht herumgetrödelt wird, dass ist freilich das originäre Ansinnen der liberalen Ökonomie, als deren Apologet sich Schmidt hier einmal mehr erweist. Das etwas sinnvoll, d. h. „zweckmäßig“ und damit auf eben diesen Zweck gerichtet sein muss, das die Dinge also alle eindeutig zuzuordnen sein sollten, das keine Zwischenräume der Uneindeutigkeit entstehen, ist genau der Kern des modernen Arbeitsbegriffes. Hier sind die Dinge sinnvoll, weil sie einen äußerlichen, benennbaren Zweck verfolgen. Dementsprechend sind dann auch alle angehalten, ihnen „ökonomisch“ und damit „vernünftig“, „sinnvoll“ nachzugehen – indem sie Zeit einsparen und nicht herumtrödel. Denn Trödeln ist sowas wie Faulheit und dem liberalen Ökonomen suspekt.

Die Nähe der Vorstellung von Gesellschaft, die das liberale Denken und das der Wohlstand-für-Alle-Macher verbindet, wird dann auch deutlich wenn Schmitt betont, das „solide wirtschaftende Bürgertum“ sei ihm lieber als die trotzige Arbeitskritik eines Paul Lafargue (Min 18:30). Ganz bürgerlich betont Nymoen dann auch noch einmal, dass keine Gesellschaft von der Faulenzerei leben könne. Damit sind die beiden erfolgreich den zentralen Fragen kritischer Gesellschaftstheorie ausgewichen und haben vor allem Moral reproduziert – ganz moralkritisch, selbstverständlich.


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