Der Klimawandel ist kein Komet.

Don’t look up to this movie!

von Daniel Nübold und Nikolaus Gietinger

Der Film „Don’t Look Up“ ist eine fiktive Komödie über einen Kometen, der die Existenz der Menschheit bedroht. Die Analogie zu globalen Krisen wie dem Klimawandel oder der Coronapandemie liegt auf der Hand. Allerdings hinkt der Vergleich. Das offenbart ein mangelndes Verständnis der realen Bedrohungen.

Eines vorweg: Als Komödie funktioniert der Film wirklich gut. Die Gags zünden, die Besetzung macht Spaß, ein kurzweiliges Vergnügen trotz der Laufzeit, die über die üblichen zwei Stunden hinausgeht. Doch was den Film so brisant macht, sind die Themen, die er behandelt. So kann die Geschichte auch als Versuch verstanden werden, Aspekte der realen Krisen herauszustellen, mit denen wir konfrontiert sind. Leider lässt der Film in dieser Hinsicht die Treffsicherheit vermissen, die er in Bezug auf seine Pointen durchaus vorzuweisen hat. Die Analyse, die er qua Vergleich anstellt, greift in mancher Hinsicht arg kurz.

Bereits die Konstruktion der Krise ist aufschlussreich. Die Erde droht mit einem Kometen zu kollidieren; die Gefährdung entsteht also außerhalb des bedrohten Systems. Dieser Sachverhalt lässt sich nicht einfach auf die Bedrohung durch den Klimawandel oder die Coronapandemie übertragen. Beides sind Krisen, deren Ursachen auf die Art und Weise zurückzuführen sind, wie wir als Menschen miteinander und mit dem Planeten umgehen. Das jeweilige Problem zu externalisieren befreit nicht nur von der Verantwortung, die die Weltgesellschaft zweifellos trägt, sondern hat auch schwerwiegende Folgen für das Bewusstsein, wie dem Problem begegnet werden kann.

Die Illusion der neutralen Wissenschaften

„Don’t look up“ jedoch operiert mit der Bedrohung von außen und stellt ihr „die Wissenschaft“ entgegen, die die Menschheit vor dem Kometen bewahren soll. Sie soll die bis zur Entdeckung völlig unbeteiligte Retterin sein. Auch das kann der Film nur deshalb so leichtfertig darstellen, weil die Bedrohung eben gerade nicht vom Menschen gemacht ist. Im Fall des Klimawandels wie auch in dem der Pandemie ist das Gegenteil der Fall. Erst die Wissenschaft hat die Technologien hervorgebracht, die den hohen CO2-Ausstoß bedingen bzw. die Menschen dazu benutzen, um in die Natur einzudringen und dabei (wen wundert’s?) Viren freizusetzen.

Die Wissenschaft ist auch deshalb nicht neutral, weil Wissenschaft im Kapitalismus immer auch eine Funktion des Kapitalismus ist. Gerade die naturwissenschaftliche Forschung richtet sich zu einem großen Teil danach, inwiefern ihre Ergebnisse einer wirtschaftlichen Verwertung zuträglich sind. Diese Ausrichtung führt dazu, dass in eine neue Technologie immer schon ein bestimmter Anwendungskontext eingeschrieben ist. Schaufelradbagger werden nicht just for fun entwickelt. Von der Unabhängigkeit, mit der Wissenschaft im Film dem Kometen entgegengesetzt wird, kann im Zuge der realen Krisen keine Rede sein. Nicht zuletzt sind es auch im Film (gesichtslose) Wissenschaftler:innen, die die wertvollen Ressourcen im Kometen entdecken.

Die zentrale Konfliktlinie des Films verläuft allerdings nicht zwischen Wissenschaft und Komet. Vielmehr stehen sich diejenigen gegenüber, die die Bedrohung ernstnehmen, und diejenigen, die es nicht tun. Im Verlauf wächst der Eindruck, dass die Bedrohung problemlos entschärft werden könnte, wenn nur ausreichend viele Menschen auf die Wissenschaft hören würde – im Film vertreten durch die Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) und Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio).

Genau das erscheint in der realen Welt nicht als Lösung. Der Klimawandel ist anerkannt, von Ausnahmen abgesehen. Regierungen verständigen sich auf ein gemeinsames Vorgehen und selbst Unternehmen nutzen jede Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie umweltfreundlich einzelne Produkte oder sogar ganze Firmen sind. Trotzdem gelingt die Kehrtwende nicht.

Zu einem gemeinsamen Vorgehen kommt es im Film allerdings gar nicht erst, da die einzelnen Personen viel zu sehr mit ihren egoistischen Interessen beschäftigt sind. Neben der Jobs/Musk/Bezos-Karikatur Peter Isherwell sticht die Präsidentin hervor, die sich erst dann dem Problem widmet, als es ihr opportun erscheint. Auf Parteiebene lässt sich das Einzelinteresse identifizieren ebenso wie auf der Ebene der Nationalstaaten. Die USA konkurrieren mit China/Indien/Russland um den Abbau der interstellaren Ressourcen.

Personen statt Strukturen

Der Film stellt gut heraus, wie ein gemeinsames Problem nicht dadurch gelöst wird, dass einzelne Fraktionen miteinander um die Lösung konkurrieren, anstatt zusammenzuarbeiten. Die Erzählweise des Films erweckt den Eindruck, das egoistische Verharren sei auf die Persönlichkeit bestimmter Menschen (etwa die Präsidentin) oder bestimmter Interessengruppen (etwa Eliten, Kapitalist:innen) zurückzuführen. Dabei lässt er völlig die gesellschaftlichen Strukturen außer Acht, die diese Handlungsweisen nahelegen.

Wie eine solche Erzählweise aussehen könnte, wird in diesem Video des YouTube-Kanals „Pop Culture Detective“ höchst sehenswert anhand des Animationsfilms „Wall-E“ dargestellt. Dessen Kerngedanke besteht darin, dass nicht einzelne Personen als Bösewichte herhalten, sondern vielmehr die unpersönlichen Strukturen, die vom Bordcomputer des Raumschiffs repräsentiert werden.

Ähnlich wie „Wall-E“ behandelt „Dont Look Up“ auch das Thema einer dekadenten Bevölkerung. Diese interessiert sich mittels Smartphones und Social Media für Gossip und schlüpfrige Skandale, weshalb sie die wirklich wichtigen Probleme nicht interessiert. Hier moralisiert der Film arg, was auch ein Anzeichen für die Hilflosigkeit des Regisseurs ist, dessen Erklärungsansatz scheitert. Er bleibt an den Personalisierungen verhaftet und an der unterstellten Ignoranz. Somit kann er nur noch moralisch „How dare you!“ schreien.

Individuen tragen die Schuld an der Situation. In ausgeprägter Form lässt sich dies im Film Idiocracy beobachten, in dem die Dummheit über Generationen hinweg vererbt wird. Die „falsche Persönlichkeit“ wird insofern sogar naturalisiert.

Was vom Film in Erinnerung bleibt, sind seine Gags und seine visuelle Inszenierung. Die gesellschaftliche Analyse, die er anstrebt, ist weder besonders originell noch erreicht sie die notwendige Tiefe. Der Klimawandel ist kein Komet und die Wissenschaft allein kein Allheilsbringer. Allerdings hilft auch kein Beten. In der Hinsicht kann man dem Film zustimmen.

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