Fracking gegen Klimawandel. Das hier nicht ökologische Zusammenhänge zerstört, sondern vielmehr geschützt werden - auf die Idee kann auch nur die Politik kommen. Wikimedia

Die ökologische Hitzekrise und ihre ökonomischen Antworten

Wenn es um die Perspektiven der hiesigen Lebensweise geht, dann kreist die mediale Debatte in Deutschland gerade um zwei ganz unterschiedliche Themenfelder. Auf der einen Seite geht es darum, dass das allenthalben angestrebte „weiter so“ eine angemessene gesellschaftliche Reaktion auf die Klimakrise leider nicht zulässt. Und auf der anderen Seite wird immer deutlicher, dass die Veränderung der ökologischen Rahmenbedingungen schneller voranschreitet, als viele es wahrhaben wollten. Eine kurze Bestandsaufnahme.

Die Energiekrise

Die Debatte um die „Krise des weiter-so“ wird unter zwei eng miteinander verwobenen Labels geführt. Das erste ist die sogenannte „Energiekrise“. Hier ist durch den Krieg in der Ukraine die Versorgung der deutschen Industrie mit Öl und Gas zumindest mittelfristig gefährdet. Die Politik reagiert darauf so, wie das zu erwarten war: Sie gibt das Problem an die Bevölkerung weiter. Wenn weniger Ressourcen ins Land kommen, dann müssen sich erst mal Herr Müller und Frau Meier auf einen kalten Winter einstellen. Davon, dass es notwendig sein könnte, in die Produktion einzugreifen, sie vielleicht gar zu herunterzufahren, ist selbstverständlich keine Rede. Als oberstes Credo bleiben die Aufrechterhaltung von Warenproduktion und des Wirtschaftswachstum unangefochten. Da hilft auch kein grüner Wirtschaftsminister.

Während die Funktionstüchtigkeit der Industrie um jeden Preis aufrechterhalten werden soll, wird derzeit ernsthaft über die Möglichkeit diskutiert, für den Winter öffentlich zugängliche warme Räume zu schaffen, damit die Leute sich wenigstens zwischendurch mal aufwärmen können. ZeitOnline etwa zitiert hierzu den grünen Bundestagsabgeordneten Leon Eckert wie folgt:

„Sollte zu einer verminderten Verfügbarkeit von Gas beispielsweise noch eine Kältewelle kommen, bräuchte es womöglich tatsächlich sogenannte Wärmeinseln in den Rathäusern“

Leonard Eckert, Bündnis 90/Die Grünen (Zeit.de)

Gleichzeitig erleben bereits totgeglaubte Energieträger ihr Revival. Bereits vor einiger Zeit machte etwa Christian Lindner mit der unsinnigen Forderung auf sich aufmerksam, doch die Atomenergie zu reaktivieren. Und selbst die Debatte um das Fracking ist jetzt in Deutschland angekommen. Bislang galt diese Methode, Gas aus Schiefergestein freizusetzen, als ökologisch unverantwortlich. Einerseits, weil sie (ähnlich dem Braunkohleabbau) riesige Flächen frisst, andererseits weil sie mit Risiken wie der ungeplanten Freisetzung von Methanvorkommen einhergeht.

Die Grünen lehnen diese Methode (noch) ab, doch von Wirtschaftsverbänden, CDU und FDP wird vermehrt eingefordert, dass Fracking-Verbot in Deutschland aufzuheben (1| 2).Damit die Energiesicherheit der Industrie gewährleistet bleibt, ist der Politik scheinbar jedes Mittel recht.

Die Lieferkrise

Gleichzeitig stockt aber auch der Ausbau der Erneuerbaren bzw. die energie- und schadstoffschonende Umrüstung, wie sie von der Bundesregierung für die kommenden Jahre vorgesehen ist. Denn die Handwerksbetriebe kommen derzeit nur allzu häufig nicht an die benötigten Materialien. Die Auftragsbücher sind voll, aber so richtig gearbeitet werden kann auch nicht:

“In Deutschland müssen Verbraucher und Kundinnen derzeit gut zwei Monate auf einen Handwerker oder eine Handwerkerin warten. „Im Bau und Ausbau sind es durchschnittlich 8,8 Wochen“, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer der Funke Mediengruppe.”

Zeit Online

Das sich daran in kurzer Frist etwas ändert, ist freilich nicht anzunehmen.

Eine Besserung ist hier nicht in Sicht. Und wie sich das für die Handwerksbetriebe ökonomisch darstellt, ist noch nicht völlig absehbar. Klar ist, dass die Lage für das frei kalkulierende Unternehmen in einer Situation verallgemeinerter Konkurrenz nicht leicht ist. Einerseits drehen die Kund:innen, bei denen es auch immer knapper wird mit dem Geld, jeden Cent zwei mal um. Und andererseits steigen die Kosten in den Betrieben: Eigentlich wollte das Handwerk nach zwei Jahren Corona-Pandemie wieder richtig durchstarten. Doch daraus wird erstmal nichts. Der Ukraine-Krieg belaste die Unternehmen in Form von unterbrochenen Lieferketten und fehlenden Materialien, sagt der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke. Stahl oder Bitumen aus der Ukraine kommen nicht mehr in gewohnter Weise, Verzögerungen auf den Baustellen sind die Folge. Auch Öle oder Saaten sind knapp und teuer. Und das trifft dann zum Beispiel Bäckereien, genau wie die hohen Energiepreise.

Tagesschau

Die Hitzekrise

Der Versuch, die Spätfolgen der Corona-Krise, die ersten Vorzeichen der Klimakrise und die durch den Krieg in der Ukraine verschärften Knappheiten in den Griff zu kriegen, scheint zum Scheitern verurteilt. Gleichzeitig sieht sich der europäische Kontinent (mal wieder) mit einer historischen Hitzeperiode im Sommer konfrontiert. „Trocknet Europa aus?“ fragt Toralf Staudt in der Zeit und fasst die eindrucksvollen Befunde dieser Woche zusammen:

Die Hiobsbotschaften reißen seit Wochen nicht ab, und sie kommen aus allen Ecken Europas. Ganz im Westen, in Portugal, sind 96 Prozent der Landesfläche von Dürre betroffen, Stauseen sind fast leer, Dutzende Waldbrände ausgebrochen. Ganz im Osten, in Polen, zeigen die Pegel der Oder Tiefststände, in rund 250 Gemeinden herrscht Trinkwassermangel, mancherorts wird die Versorgung bereits stundenweise eingestellt. In Rumänien sind derzeit drei Viertel des Landes zu trocken, die Umweltministerin warnte dieser Tage vor Missernten bei Getreide. Auch in Italien werden milliardenteure Ernteausfälle erwartet, der Po, größter Fluss des Landes, ist nur noch ein Rinnsal. In Teilen Frankreichs und Spaniens ist die Lage ebenfalls dramatisch. Selbst Österreich mit seinen vielen Bergseen meldet Trockenheit.

Toralf Staudt: Trocknet Europa aus

Die Hitze bedroht die Gesundheit der Menschen – so stark, dass sogar die Wirtschaft alarmiert ist, weil die Krankschreibungen zu stark steigen. Das ergab jetzt eine Kleine Anfrage im Bundestag, die dort von der Linksfraktion eingebracht wurde. Und mit der Hitze wird auch das Problem der Wasserknappheit neu auf die Tagesordnung gesetzt. Diese Befunde passen freilich gar nicht so den Versuchen, den Kapitalismus mittelfristig durch innovative Projekte wie E-Mobilität, Atomenergie oder Fracking zu stabilisieren.

Denn alle drei brauchen für ihre Produktion Wasser in nicht zu unterschätzenden Mengen. Das wurde gerade in Brandenburg deutlich, wo nicht zuletzt durch die neue Tesla-Fabrik das Trinkwasser knapp wird. Atomkraftwerke sind auf Wasser zu Kühlung angewiesen und insbesondere das Fracking, bei dem große Mengen Wasser mit Hochdruck in die Erde gepustet werden, gilt als äußerst wasserintensiv. „Zwischen acht und 19 Millionen Liter Wasser“, so berichtet das Handelsblatt, „werden für die Ausbeutung einer Gasquelle benötigt.“ Bei der Förderung von Lithium, einer für den Bau von Batterien für E-Autos benötigtem Rohstoff, ist das übrigens ganz ähnlich. Auch hier wird in Kauf genommen, für die Senkung des CO2-Ausstoßes die Klimakrise an anderer Stelle zu verschärfen.

Um eine ernsthafte Antwort auf diese multiplen Krisen zu geben, müsste das Wachstumsparadigma infrage gestellt werden. Was es bräuchte, wäre eine ernsthafte gesellschaftliche Debatte über die gesellschaftlichen Perspektiven und die Alternativen zur kapitalistischen Warenproduktion. Davon will im politischen Establishment allerdings niemand etwas wissen.

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