Der Großmufti von Jerusalem war der erste Anführer der "palästinensischen Sache". Hier sehen wir in bei einem intensiven Gespräch mit seinem Bündnispartner, dem Chef der deutschen NSDAP. Wikimedia

Das Original kommt aus Deutschland

Vom vergeblichen Versuch, Antisemitismus mit Rassismus auszutreiben

Der Antisemitismus ist in Deutschland ein alter Bekannter. Da sein Vorhandensein nun augenfällig wird, versucht die Politik, ihn zu “bekämpfen”. Doch bei ihrem Versuch, Antisemitismus als einen Import von “Migrant:innen” zu labeln, stochern Bundesregierung und Opposition gleich in zweierlei Hinsicht im Nebel. Diese Annahme ist nicht nur rassistisch, sie ist auch inhaltlich falsch und relativiert die weitverbreiteten antisemitischen Denkmuster, die auch in der deutschen Mehrheitsbevölkerung existieren.

Versöhnungstheater

Wir erleben momentan nicht viel mehr als die x-te Aufführung eines Stückes, das Max Czollek zurecht als “Versöhnungstheater” beschreiben hat. Das Ziel dieser Aufführung sei weniger ein angemessener Umgang mit der Shoa als vielmehr ein gutes Stück “Gegenwartsbewältigung”. Dadurch wird die deutsche Vergangenheit als “bewältigt” deklariert. Der in der Gesellschaft vorhandene Antisemitismus kann auf diese Weise bequem ausgeblendet und verdrängt werden.

Wenn sich derzeit der latent vorhandene Antisemitismus manifestiert, wird er auf diese Weise nicht als ein Produkt der Gesellschaft angesehen, in der er entstanden ist. Stattdessen wird von einem “importierten Antisemitismus” gesprochen, der angeblich von muslimischen Migrant:innen in die deutsche Gesellschaft eingeführt wurde. Bis hin zum Vizekanzler betonen politische Repräsentant:innen, dass wer sich antisemitisch äußere, auch abgeschoben werden könne.

Dadurch wird suggeriert, dass es sich bei Antisemitismus in erster Linie um ein Verbrechen handelt – und zwar eines, das von Nichtdeutschen begangen werde. Denn nur die können ja abgeschoben werden. Diese Haltung personifiziert sich besonders deutlich in Hubert Aiwanger. Der ist einerseits selbst kaum in der Lage, sich von antisemitischen Hetzschriften in seiner Vergangenheit zu distanzieren und will doch gleichzeitig den Antisemitismus nur als Folge einer “unkontrollierten Zuwanderung” kategorisiert wissen.

Antirassistische Objektifizierung

Dadurch wird der Antisemitismus, der derzeit auf verschiedensten Demonstrationen sichtbar wird, jedoch entpolitisiert. Er wird zu einer ethnischen Eigenschaft, zu einer Frage der Abstammung oder der Religion. Die Menschen, die antisemitische Äußerungen tätigen, tauchen in dieser Erzählung lediglich als Objekte auf. Sie sind einer Macht unterworfen, die als ihnen vorgelagert gilt. Sie tauchen aber gerade nicht als politische Subjekte auf, die bemüht sind, die Welt ihrem politischen Willen zu unterwerfen.

Diese Perspektive spiegelt sich auch in der gängigen Perspektive der antirassistischen Linken wieder. In den hier beliebten Konzepten der Critical Whiteness oder der Postcolonial Studies werden Menschen ebenfalls in (letztlich völkisch) gedachte Kollektive sortiert. Aus der Hierarchie zwischen diesen Gruppen (Wer ist oben und hat die Macht? Wer ist unten und dementsprechend ohnmächtig?) wird dann abgeleitet, wer herrscht (und damit auch, wer handelt) und wer beherrscht wird (und damit auch, wer bloß Objekt ist). Wir haben diesen Zusammenhang bereits hier ausführlich am Beispiel des Umgangs mit DITIB dargestellt.

Auf diese Weise ergänzen sich die zentrale konservativ-liberale und die linksliberale Perspektive auf den Konflikt. Leider geschieht dies auf Kosten der betroffenen Menschen. Denn den Menschen, die in Gaza als lebende Geiseln der Hamas gehalten werden, ist wenig damit geholfen, wenn die Handlungsmacht der dortigen Regierung (die eben von der Hamas gestellt wird) geleugnet wird. Wer durch seine theoretische Perspektive derart blind geworden ist, ist nicht in der Lage, eine für das 21. Jahrhundert adäquate Befreiungstheorie zu formulieren.

Importierter Antisemitismus

Das analytisch unterirdische Versöhnungstheater ist jedoch nicht nur rassistisch, sondern auch auf einer inhaltlichen Ebene falsch. Denn es ignoriert die historische Entwicklung des Antisemitismus. Wenn dieser heute in den europäischen Gesellschaften als ein Import aus Nahost dargestellt wird, dann wird damit die Vorstellung bemüht, der unzivilisierte Osten sei nicht zu einer friedlichen Koexistenz mit jüdischen Menschen in der Lage. Nun zeigt die Geschichte dieser Gesellschaften aber doch sehr gut, dass es hier durchaus zu Arrangements zwischen muslimischen, jüdischen und christlichen Teilen der Bevölkerung kommen konnte.

Bis in die 1920er-Jahre hinein war es für Jüdinnen:Juden sogar möglich, Ämter (bis hoch hinauf in die Regierung Ägyptens) zu erlangen. Jüdische Kaufleute wurdenals verlässliche Geschäftspartner:innen angesehen. Und selbst die Machtübernahme der Nazis in Deutschland wurde in Teilen der Region mit großen (antideutschen) Demonstrationen beantwortet. 

Auch die Vorstellung von einem jüdischen Staat stieß (in den 1920er Jahren) durchaus auf Sympathie. Denn sie galten weiten Teilen der politischen Elite der Region als Verschmelzung von “europäischer” und “orientalischer” Tradition – worin allenthalben die Möglichkeit für eine fruchtbare Kooperation und einen ökonomischen Aufstieg der Region gesehen wurde.

So schrieb beispielsweise der frühere ägyptische Minister Ahmed Zaki über die Pläne zu einem jüdischen Staat sehr wohlwollend:

Der Sieg der zionistischen Idee ist der Wendepunkt für die Erfüllung eines Ideals, das mir so wesentlich ist: die Auferstehung des Orients.

Ahmed Zaki

Diese durchaus judenfreundlichen und in Teilen dezidiert prozionistischen Positionen wurden dann im Laufe der 1930er-Jahre zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Die Ursache dafür war der Aufstieg der Muslimbruderschaft um den religiösen Fanatiker Hasan al-Bannā. Diese 1927 gegründete Organisation hatte sich der Wiederherstellung eines vermeintlich ursprünglichen muslimischen Glaubens verpflichtet. Diese Vorstellungen wurden dann in den 1930er-Jahren durch eine zunehmend enger werdende Kooperation zwischen der Muslimbruderschaft und der NSDAP um den Antisemitismus erweitert. Die Nazis ließen für sie zentrale Werke ins Arabische übersetzen (etwa die Protokolle der Weisen von Zion und Mein Kampf) und produzierten tägliche Radiosendung für die Region. Erst durch diese Aktivitäten wurde der Antisemitismus in seiner heutigen, durch und durch modernen Version in der Region hegemonial. 

Wenn wir also überhaupt von importiertem Antisemitismus sprechen können, dann lief der Import genau andersherum als häufig diskutiert: als eine in Europa entstandene Ideologie wurde er im Rahmen kolonialer Einflussnahme in der MENA-Region verbreitet.

Sehr gut und nachvollziehbar finden sich diese Zusammenhänge in dieser Abhandlung von Matthias Küntzel dargestellt:

Matthias Küntzel
Djihad und Judenhaß https://www.ca-ira.net/verlag/buecher/kuentzel-djihad/
Über den neuen antijüdischen Krieg 2002, 180 Seiten, ISBN: 978-3-924627-06-5

Aufstehen gegen die Ethnisierung des Antisemitismus!

Wir können daher feststellen, dass sich der antisemitische Wahn, der sich gerade weltweit Gehör verschafft, nicht ohne seinen Ursprung in Europa (genauer: in Deutschland) verstehen lässt. Er ist von Beginn an mit der Stilisierung von Jüdinnen:Juden als dem absolut Bösen verbunden. Deshalb nimmt er die hässlichen Züge an, die wir derzeit an ihm beobachten können. Und deshalb neigt er auch dazu, ins Eliminatorische überzugehen. Das gilt nicht zuletzt für die Hamas, die als palästinensischer Flügel der Muslimbruderschaft in der direkten Linie dieser propagandistischen Zurichtung steht.

Dagegen gilt es nach wie vor, sich zu positionieren und die Stimme zu erheben. Unabhängig von Fragen der ethnischen Herkunft oder der individuellen Identität. Es ist eine Frage des politischen Standpunkts.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert