Können ganz praktisch sein: Mücken Pixabay

„Was hat die Mücke je für uns getan?“

Das es neben dem Klimawandel noch ein weiteres drängendes Menschheitsproblem gibt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Neben dem Klima ist auch die Biodiversität, also die Vielfalt der auf der Welt vorhandenen Lebewesen, von großer Bedeutung für die Zukunft der menschlichen Gesellschaften. Der Frage, wozu diese Vielfalt für die Menschen nützlich ist, gehen Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg in ihrem lesenswerten Buch „Was hat die Mücke je für uns getan?“ nach.

Die Frage selbst wird auf Seite 65 beantwortet:

Bartmücken sind Bestäuber von Kakao – und zwar nur Bartmücken, weil Kakaoblüten so klein und kompliziert gebaut sind, dass da sonst keine(r) reinkommt! Ohne Mücke also keine Schokolade … das reicht als Argument, oder?

Frauke Fischer, Hilke Oberhansberg: „Was hat die Mücke je für uns getan?“

Damit sollte ein für alle mal klar sein, dass mit der Gefährdung der Mücke auch der schokoladenbasierte Lebensstil gefährdet ist. Diese und noch einige weitere Zusammenhänge werden in dem ebenso flott geschriebenen wie informativen Sachbuch unterhaltsam dargestellt. Dabei wird nicht nur die Bedeutung der Biodiversität für bestimmte menschliche Vorlieben (etwa die für Schokolade) deutlich, sondern auch die Rückwirkungen von Biodiversität und Klimawandel. Denn Biodiversität erhält Ökoysysteme. Die wiederum dienen als lebendige CO2-Speicher und helfen zudem, die Folgen des Klimawandels abzumildern (etwa indem Wälder das Wasser reinigen, die Erde stabilisieren und die Luft kühlen). Und umgekehrt wirkt sich der Klimawandel auf die Biodiversität aus, etwa indem vermehrte Sturmfluten Ökosysteme gefährden. Dabei werden die „Naturgewalten immer öfter auch zu Naturkatastrophen“ (S. 92), weil die natürlichen Sicherheitsbarrieren (wie Auenlandschaften oder mäandernde Flüsse) im Rahmen einer Anpassung der Welt an die Bedürfnisse des Kapitals beseitigt werden.

Fischer und Oberhansberg diskutieren die Bedeutung der Artenvielfalt für frische Luft und frisches Wasser (S. 73ff.), den menschlichen Speiseplan und als Reservoir medizinischer Mittel (S. 76ff.). Sie stellen die Bedeutung von Artenvielfalt für das Leben in den modernen Städten (S. 105ff.) ebenso dar wie ihre Bedrohung durch den Massentourismus (S. 125ff.). Sie verweisen auf die Energiespeicherung und Umwandlung durch die Vielfalt der Arten, aber auch auf ihre Bedrohung durch die Aneignung fossiler Energievorräte durch den modernen Menschen (S. 137ff.).

Über die vielen guten Darstellungen naturwissenschaftlichen Wissens kommt das Buch freilich nicht ohne kurze Ausflüge in die Sozialwissenschaften aus. Hier verfallen die Autor*innen dann leider auf gesellschaftlich gängige, aber nichtsdestotrotz vereinfachte Darstellungen. So etwa, wenn sie die Weltbevölkerung zu einem der zentralen Probleme für Klima und Arterhaltung erklären (etwa auf S. 49).

Auch die Verschiebungen im kapitalistischen Naturmanagement, die dann ihrerseits das Risiko vermehrter Zoonosen hervorbringen, erklären sie zu bloßen „Eingriffen“ des Menschen (S. 85) und legen den Gedanken nahe, das Problem sei der Mensch an sich und nicht die Art und Weise, wie die menschengemachte (und damit auch von Menschen abschaffbare) kapitalistische Gesellschaft ihr Naturverhältnis organisiert. Das gleiche gilt für die Gefährdung der Auenlandschaften durch eine ökonomisch angeregte Veränderung der Kulturlandschaften.

Nichtsdestotrotz haben Fischer und Oberhansberg ein sowohl lesenswertes als auch liebevoll gestaltetes Standardwerk zur Bedrohung der Artenvielfalt geschrieben. Es lohnt sich, es zu lesen!

Was hat die Mücke je für uns getan?
Was hat die Mücke je für uns getan?

Endlich verstehen, was biologische Vielfalt für unser Leben bedeutet
Oekom / München 2020
224 Seiten, 20 Euro

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