Atom Krafrtwerk
Nicht mal besonders hübsch: Atomkraftwerke Pixabay

Das Atom als Spaltpilz der Klimabewegung

Die Kernenergie erfährt derzeit ein kleines Revival. Viele europäische Regierungen bauen im Rahmen einer Umstrukturierung der Energieversorgung auf Atomstrom. Nicht nur einige osteuropäische Staaten wie Bulgarien und Tschechien wollen darauf setzen, auch in den Regierungen Frankreichs und Großbritanniens erfreut sie sich großer Beliebtheit. Und auch in den USA sitzt mit Joe Biden nun ein erklärter Freund der Kernenergie im Weißen Haus. Er strebt den Bau sogenannter „Small Modular Reactors“ (SMR) an. Das sind Kleinreaktoren mit einer maximalen Leistung von 300 Megawatt (während die bisher genutzten Kraftwerke bis zu 1300 Megawatt Leistung erreichen können).

Wie schon so oft in der Geschichte sollen es nun die von der kapitalistischen Entwicklung hervorgebrachten technischen Möglichkeiten sein, die nicht nur die von ihr angerichteten Schäden beseitigen, sondern darüber hinaus ein Weiterleben in den nur allzu gewohnten Bahnen ermöglichen sollen. Dabei bleiben die Kosten dieser Technik bzw. ihre Schattenseiten wie gewöhnlich im Dunkeln. Denn die Folgekosten der kapitalistischen Naturbeherrschung fallen zumeist dort an, wo sie nicht auffallen.

Wohin mit dem giftigen Atom?

Die grundlegenden Probleme, die mit der „friedlichen Nutzung der Kernenergie“ einhergehen, sind jedenfalls nach wie vor nicht gelöst. Das gilt zunächst auf einer ganz banalen Ebene. Denn obwohl seit über 50 Jahren nach Möglichkeiten einer sicheren Endlagerung des Atommülls gesucht wird, ist bis heute hierfür kaum ein zweifelsfrei nutzbarer Standort gefunden worden. In Finnland ist zwar mit dem Endlager Olkiluoto ein erster möglicher Endlagerort gefunden, die Einlagerung soll aber auch hier erst 2025 beginnen. Die Sicherheit der geplanten Lagerung ist freilich umstritten.

Ist das finnische Novum für den hochgiftigen Müll demnach sicher? „Leider nicht“, sagt Heinz Smital. Er arbeitet bei „Greenpeace“ und kennt sich als Kernphysiker mit dem heiklen Thema aus. „Granit ist sehr stabil, doch sehr zerklüftet.“ Im Klartext heißt das für ihn: Wasser kann in die Kanister eindringen. Was seine These stützt: ein angedachtes Endlager in Schweden, bei dem man ein ähnliches Konzept wie in Olkiluoto verfolgte. Nach siebenjähriger Beratung waren schwedische Richter dort der Meinung, dass das Konzept für ein Endlager „nicht genehmigungsfähig“ sei, denn es gäbe „bedeutende Unsicherheiten“. Ärger gab es in Schweden wegen der angedachten Stärke der schützenden Kupferschicht, da die von anvisierten 20 Zentimetern auf fünf Zentimeter schrumpfen sollte, was Kosten spart.

Matthias Lauerer : Strahlendes Grab für die Ewigkeit?

Ganz nebenbei verweist die Entwicklung in Schweden auf ein weiteres Problem bei der kapitalistisch induzierten Behebung der Endlagerproblematik: Die folgt nämlich einer Kosten-Nutzen-Rechnung und möchte mit möglichst wenig Aufwand über die Runden kommen. Dabei besteht dann immer das Risiko, dass am Ende doch etwas zu viel gespart wird. Insbesondere da mögliche Folgen vielleicht erst in vielen Jahrhunderten zutage treten, dürfte die Hemmschwelle für die beteiligten gewinnorientierten Betriebe nicht besonders hoch liegen.

Doch einige Wissenschaftler*innen erweisen sich bereits als kluge Realpolitiker*innen. Klaus-Jürgen Röhlig etwa, der an der TU Clausthal als Professor am Institut für Endlagerforschung arbeitet, verweist im oben zitierten Beitrag darauf, dass die gewählte Lösung eher aus der Not geboren sei: „Für die finnischen Kollegen ist es nicht die beste Lösung, sondern die einzige, die sie haben“, sagt er dem Tech-Magazin Forbes, man habe in Schweden und Finnland „ein sehr gutes und passendes Konzept für die Einlagerung“ entwickelt – zumindest „für diesen Standort“. Ganz offensichtlich hat der Experte hier die Notwendigkeiten der Realpolitik bereits anerkannt. Vor dem Hintergrund einer nationalstaatlichen Aufteilung der Welt müssen wir für die entsprechenden Regionen Endlagerstätten finden und da ist die gewählte Lösung für die beiden skandinavischen Länder zwar schlecht, aber eben doch das beste, was geht. Wenn wir die Standards nur weit genug absenken, sind sie irgendwann alle erfüllt.

Dementsprechend ist Marcos Buser vom Institut für nachhaltige Abfallwirtschaft auch keinesfalls zuversichtlich, was die Sicherheitsperspektiven der angedachten Technologie angeht:

„Hier gibt es die koordinierte Aktion der Atomindustrie, um zu ´beweisen´, dass in allen Gesteinen, wie Granit, Ton oder Salz eine definitive Lösung des Abfallproblems möglich ist. Diese Anlage steht auf tönernen Füßen. Das Barrierenkonzept mit den Kupferkanistern ist unhaltbar. Stichwort ist hier: Kommt es zu einer Korrosion oder eben nicht? So lässt sich keine Sicherheit herstellen.“ […] Das finnische Projekt ist durch extremen Zeitdruck gekennzeichnet.“

Marcos Buser, zitiert nach Matthias Lauerer : Strahlendes Grab für die Ewigkeit?

Das Problem wird hier in einer sehr offensichtlichen Weise in die Zukunft verlagert. Der Zeitpunkt etwa, zu dem sich die deutsche Bundesregierung auf ein Endlager festlegen will, wird stetig nach hinten verschoben. Einen guten und sehr grundsätzlichen Überblick über die Geschichte des Endlagerproblems gibt dieses Video aus der Wissenschaftsreihe Quarks:

Peak Uran: Schwierige Ressourcenbeschaffung

Doch auch von der anderen Seite der Produktionskette droht der Atomenergie Gefahr. Während noch immer unklar ist, was mit den bei der Produktion entstehenden Giftstoffen passieren soll, wird zunehmend undurchsichtig, woher die Rohstoffe kommen können, die bei der Produktion in elektrische Energie umgewandelt werden sollen.

Der benötigte Rohstoff, nämlich Uran in Form der beiden Isotope U-235 und U-238, ist eine nicht erneuerbare Ressource. Die heute gängigen Reaktoren benutzen U-235, das lediglich 0,7 Prozent der natürlichen Uranvorkommen ausmacht. Beim derzeitigen jährlichen Verbrauch progrnostizierte die Energy Watch Group, dass die bekannten Reserven Ende der 2030er-Jahre aufgebraucht sind, und selbst für die Ressourcen, also die geschätzten möglichen Vorkommen darüber hinaus, ist das Ende in den 2070er-Jahren erreicht.

Bruno Kern: Das Märchen vom grünen Wachstum, S. 59

Würde der Verbrauch erhöht, wie es von einigen Regierungen gerade angedacht wird, könnten die Vorräte noch schneller dahinschwinden:

Würde man die Stromerzeugung allein auf Atomkraft stützen, so würden die Uranvorräte innerhalb von zehn Jahren aufgebraucht sein. Allein aufgrund der benötigten Zeit für den Bau neuer Reaktoren fällt diese Option zur Schließung der Energielücke aus.

Bruno Kern: Das Märchen vom grünen Wachstum, S. 59

Halten wir also fest: Kernenergie ist eine Technologie, die nicht nur während des Betriebs mit dem steten Risiko eines GAU belastet ist. Wir wissen darüber hinaus weder, woher wir die benötigten Rohstoffe bekommen sollen, noch haben wir einen Platz für die entstehenden Abfälle. Überhaupt ist es kein kleines Kunstwerk kapitalistischer Wirtschaftskraft, das hier in nicht mal 100 Jahren ein Problem geschaffen wurde, mit dem die Menschheit sich noch für die kommenden 100.000 Jahre herumschlagen darf.

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