Atom Krafrtwerk
Nicht mal besonders hübsch: Atomkraftwerke Pixabay

Das Atom als Spaltpilz der Klimabewegung

Die Klimatauglichkeit der Kernenergie

Doch obwohl das alles nicht neu ist, setzen noch immer viele Staaten und Nichtregierungsorganisationen auf die Kernenergie. Sigrid Stagl hat nun im Auftrag des österreichischen Umweltministeriums eine Meta-Studie zur potenziellen Bedeutung der Kernenergie vorgelegt. Diese ist als Literaturstudie konzipiert und fasst die bereits bekannten Forschungsergebnisse zu verschiedenen Aspekten zusammen. Die Studie kann hier herunterladen werden. Bei allen folgenden Zitaten aus der Studie haben wir wissenschaftliche Zitate und dergleichen herausgekürzt. Sie können entsprechend in der verlinkten Studie nachgelesen werden.

Als erstes geht die Studie der Frage nach, inwiefern Atomenergie mit Treibhausgasemissionen verbunden ist. Wir können da lesen:

Die Forschung zu grauer Energie und Treibhausgasemissionen im Konnex zu nuklear erzeugter Elektrizitätist umfangreich. Während die nukleare Stromerzeugung in der Stromerzeugungsphase historisch gesehen mit relativ geringen Treibhausgasemissionen verbunden ist […], wird der Großteil der Treibhausgasemissionen im nuklearen Brennstoffkreislauf in den der Anlage vor- und nachgelagerten Verarbeitungsstufen verursacht […]. Schätzungen zufolge verteilen sich die CO2-Emissionen auf den Bau von Kernkraftwerken (12%), den Uranabbau und die Urananreicherung (38%), den Betrieb (17%), die Verarbeitung und Lagerung von Kernbrennstoff (15%) und den Stilllegungsaktivitäten des Kraftwerks (18%).

Sigrid Stagl: Die Taxonomie-Verordnung und Kernenergie unter Berücksichtigung der DNSH-Kriterien: eine Literaturstudie (S. 6)

Atomenergie kommt also gar nicht ohne CO2-Emissionen aus, wie immer wieder gerne kolportiert wird. Die Frage ist lediglich, in welchem Umfang sie für solche Emissionen verantwortlich ist. Die entsprechenden Einschätzung variieren von Studie zu Studie sehr stark, was vor allem an sehr unterschiedlichen Ausgangsannahmen sowie den unterschiedlichen Möglichkeiten zum Bau der Kraftwerke liegt. Der zusammenfassende Überblick kommt daher zu dem Schluss, dass laut der vorliegenden Forschungslage „die CO2-Emissionen eines Kernkraftwerks während seines gesamten Lebenszyklus, denen der erneuerbaren Energien ähnlich sind‘“.

Da dem Uranabbau ein zentraler Anteil an den verursachten Emissionen zukommt (gemeinsam mit der Anreicherung immerhin 38 %), spielt für die Prognose zukünftiger Entwicklungen sicherlich auch die zu erwartende Verknappung der Ressourcen eine Rolle:

Da z.B. in der Zukunft weniger reiches uranhaltiges Gestein verfügbar sein wird, werden Bergbau und Weiterverarbeitung in Zukunft zu einem höheren Gehalt an ,grauer Energie‘ und höheren CO2-Emissionen führen.

Sigrid Stagl: Die Taxonomie-Verordnung und Kernenergie unter Berücksichtigung der DNSH-Kriterien: eine Literaturstudie (S. 7)

Daher, so stellt die Studie sehr umfangreich dar, werde der Anteil der Atomkraft am CO2-Verbrauch in verschiedenen Szenarien zu einem zukünftigen Energiemix zumeist sehr gering angesetzt – auch wenn die Technologie im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern (S. 7 – 9).

Als nächsten Punkt untersucht die Studie, inwiefern davon ausgegangen werden kann, dass sich die Nutzung von Kernenergie den Veränderungen verträgt, die durch den zu erwartenden Klimawandel entstehen werden. Dabei wird vor allem von einer Zunahme extremer Wetterereignisse sowie von zunehmenden Wetterschwankungen ausgegangen.

Diese klimabedingten extremen Wetterereignisse und Wetterschwankungen werden sich sowohl auf die Energienachfrage als auch auf die Belastbarkeit/Resilienz des Energieversorgungssystems auswirken und die Anpassung an den Klimawandel erschweren.

Sigrid Stagl: Die Taxonomie-Verordnung und Kernenergie unter Berücksichtigung der DNSH-Kriterien: eine Literaturstudie, S. 9

So ist davon auszugehen, „dass Veränderungen in den Niederschlagsmustern sowie eine höhere Häufigkeit und Intensität von Dürreperioden die Verfügbarkeit von Wasser für Kühlzwecke in thermischen und nuklearen Kraftwerken sowie die Wasserkrafterzeugung negativ beeinflussen werden“ (S. 9). Prognosen gehen derzeit davon aus, dass die Schäden an den Energieversorgungssystemen, die durch Dürre und Hitze verursacht werden, von derzeit 9 % weltweit bzw. 31 % innerhalb Europas auf 27 % bzw. 67 % ansteigen werden (S 9f). Dies habe ein steigendes Betriebsrisiko und steigende Bewirtschaftungskosten der Anlagen zur Folge. Der Kapitalismus schlägt der Atomenergie ein Schnippchen: Sie ist einfach nicht länger finanzierbar.

Die bereits angedeuteten Beziehungen zwischen Kernenergie und Dürrefolgen beschränken sich jedoch nicht auf die verstärkte Verwendung von Wasser als einem ohnehin knapper werdenden Gut (niedrigere Flussläufe und steigende Wassertemperaturen bilden hier eine unglückliche Mixtur). Die Rückflüsse aus den Kraftwerken nehmen darüber hinaus selbst auf die Wasserqualität Einfluss und senken dadurch die Menge und den Gütegrad des vorhandenen Trinkwassers. Insofern steht auch das klimapolitische Ziel einer Erhaltung der Wasserressourcen einer verstärkten Nutzung der Kernenergie entgegen (S. 12-14).

In einem dritten Punkt geht die Studie auf die kreislaufwirtschaftlichen Aspekte der Kernenergienutzung ein. Hier werden vor allem die oben bereits diskutierten Probleme bei der Beschaffung des Uran sowie bei der Entsorgung der giftigen Abfälle angeführt (S. 14 – 16). Im darauffolgenden vierten Punkt werden die direkten Auswirkungen der Kernenergie auf den „Umweltschutz“ diskutiert. Risikofaktoren sind hier vor allem die mögliche Verstrahlung von Menschen (insbesondere Kinder sowie die Arbeiter*innen und Angestellten in den Kraftwerken sind hier betroffen), Tieren und Pflanzen durch den gewöhnlichen Betrieb, aber auch durch mögliche Reaktorunfälle.

Darüber hinaus kommt es auch beim Abbau des Urans zu Kontaminierungen von Luft, Boden und Wasser. Die Folgen dieser Kontaminationen sind jedoch in der Wissenschaft umstritten (S. 16 – 18). Ein Umstand, der möglicherweise mit einer grundsätzlichen Einstellung gegenüber der Kernenergie bei den Auftraggeber*innen der Studien zusammenhängen könnte.

Sehr allgemein fallen im Anschluss die Überlegungen zum fünften Punkt aus, zur Auswirkung der Atomenergie auf die Biodiversität. Diese wird in den vorgestellten Studien nahezu ausschließlich als Auswirkung auf die „Ökosystemleistungen“, d. h. auf die überprüfbare Entnahme von Menschen genutzter Bio-Naturressourcen. Entsprechend vage fallen die Überlegungen aus, doch zumindest die Erhöhung der Wassertemperatur von Flüssen und Meeresbuchten durch die Kühlung der Kraftwerke sollte darauf hinweisen, dass auch hier noch einiger Forschungsbedarf besteht und die Atomkraft zumindest nicht voreilig als ungefährlich oder „neutral“ charakterisiert werden sollte (S. 18 – 21).

Die Studie geht im Anschluss auf die Sozialstandards ein, die von der Nutzung der Kernenergie betroffen sind. Hierbei fallen vor allem die Arbeitsbedingungen beim Abbau des Urans ins Auge. Oft werden in der Praxis Arbeitssicherheitsstandards nicht eingehalten. Die Studie gesteht zwar zu, dass dies grundsätzlich möglich wäre, verweist aber zu Recht darauf, dass davon realistischerweise nicht auszugehen ist. Darüber hinaus würde jede Erhöhung des Arbeitsschutzes die Preise des Rohstoffes und damit perspektivisch die Preise der produzierten Energie erhöhen. Dazu kommt, dass sich der Abbau von Uran auch regional negativ auf die gewachsenen Strukturen der Abbauregionen auswirkt. Oftmals liegen die Abbaugebiete in ländlichen Regionen, in denen bislang indigene Communitys heimisch waren (etwa in Australien, Indien oder den USA) und deren Lebensumfeld durch die Errichtung von Bergbau-Wüsten zerstört wird (S. 21 – 23).

Ohne auf die Studie in Gänze eingehen zu können müssen wir doch feststellen, dass Atomenergie selbst unter kapitalistischen Bedingungen keine (auch nur relativ) sinnvolle Energieform darstellt. Dazu kommt freilich, dass die zumeist großen und (selbst als SMR‘s) zentral gesteuerten Anlagen für eine auf demokratisierte Energiesouveränität der Bevölkerungen ausgerichtete Energieerzeugung kaum in Frage kommen. Dazu kommt, dass dem Ruf nach der Kernkraft immer eine (meist stillschweigende) Vorannahme unterliegt. Es wird nämlich unterstellt, dass die Welt ohne Wirtschaftswachstum nicht auskommen wird. Für den Kapitalismus gilt das sicherlich. Der Welt hingegen würde das sogar gut tun.

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