In einer Wirtschaft, die auf beständiges Wachstum angewiesen ist, bleibt die Versorgung mit Energie ein ständiges Problem. Oft wird die Hoffnung in technologische Großprojekte gesetzt. Das gilt etwa für Atomkraftwerke, aber auch für die Wasserkraft. Diese soll in vielen Fällen mit HIlfe von großen Staudämmen gewonnen werden, was oft ein Problem ist. Hier eine kurze Übersicht über einige zentrale Kritikpunkte.
Probleme der Großstaudämme
Zu den Folgen von Großstaudämmen gibt es spätestens seit dem Assuan-Hochdamm in Ägypten ab 1960 zigtausende Publikationen. Insbesondere von Nichtregierungsorganisationen und UNO-Institutionen etc. wurden dieser Projekte rauf und runter studiert. Das Problem ist, dass sie trotz dieser Kenntnisse weiter geplant und gebaut werden.
Ganz allgemein können wir festhalten, dass der Wirkungsgrad der Staudämme vergleichsweise hoch ist. Die Konstruktion und der spätere Betrieb in seiner gesamten Dimension verursachen jedoch hohe Kosten und Folgekosten. Ein weiterer Fragenkomplex dreht sich um die Herkunft und den Verbleib des Wassers: Wo soll das Wasser herkommen? Ob und wie soll das abfließende Wasser eingesetzt werden?
Die Umlenkung und/oder Vertiefung von Flüssen entzieht Millionen Menschen den Zugang zu Wasser, insbesondere für die traditionelle Landwirtschaft. Die großen Stauseen verursachen gigantische Gesundheitsprobleme. In Ägypten z. B. die gefährliche Bilharziose, von der bis zu 10 Mio. Menschen betroffen sind.2 Die Verdunstung von Wasser bei den Stauseen bedeutet einen enormen Wasserverlust und verändert zudem die Klimabedingungen in den Regionen negativ.
In der Regel setzen sich die ganzen Nährstoffe, die von den Flüssen transportiert werden und die Landwirtschaft überhaupt möglich machen, in den Stauseen auf dem Grund ab. Das Wasser, das durch die Turbinen später abfließt und für die Bewässerung von großen Plantagen dient, ist nährstoffarm.
Zwar gibt es Technologien, um das abzumildern, sie reichen jedoch nicht aus. Bei allen Staudammprojekten für die Bewässerung sind die Felder nach wenigen Jahren versalzen. Nur ein extrem hoher Aufwand an Dünger und sehr aufwendigen Drainagetechniken verhindern dies eine Weile. Da ist dann immer die Frage, wer das wie lange finanzieren kann.
In Urwäldern führen Staudämme praktisch zur Zerstörung der Flusslandschaften und Mangroven. Sie verunmöglichen Fischerei durch ansässige Kleinbauern und befördern den massiven Kahlschlag zugunsten von Monokulturen. Unabhängig davon zerstören sie überall gewachsene Sozialstrukturen, ohne dass dabei bessere Alternativen für die betroffen Menschen herauskämen. „Zerstörung von Sozialstrukturen“ ist freilich noch recht freundlich formuliert. Denn dieser Prozess kann im Einzelfall durchaus die Ermordung der Betroffenen Indigenen zur Folge haben.
Ursachen des Staudammbaus
Warum werden solche gigantomanischen Staudämme immer wieder gebaut, obwohl die Nachteile längst bekannt sind? Zunächst einmal ist der technische Größenwahn nach wie vor weit verbreitet. Zahlreiche industrielle Schwellen- und Entwicklungsländer entwickeln ehrgeizige und stromintensive Industrialisierungs- und Urbanisierungspläne. Diese verbinden sie mit der Hoffnung, wirtschaftlich und technologisch zu den Volkswirtschaften des Globalen Nordens aufschließen zu können. Dient der Staudamm auch der Bewässerung in der Landwirtschaft, lassen sich riesige Flächen für den Export bewirtschaften. Diese Flächen gehören in der Regel Großgrundbesitzer*innen, Konzernen und Investmentgruppen.
Zweitens sind die beteiligten Ministerien in der Regel mit politischen Freund*innen der jeweiligen Regierung besetzt und die Entscheider*innen wechseln häufig. Fachliche und erst recht ökologische Kompetenzen sind in der Regel nicht vorhanden. Selbst Wissen über die Zusammenhänge, dass in den Umweltministerien und bei NGOs vorhanden ist, wird aus Ignoranz oder absichtlich nicht genutzt.
Drittens profitiert vom Staudamm die große Anzahl der beteiligten Unternehmen aus nahezu allen Branchen. Während der Bauphase entstehen zudem auch Arbeitsplätze (wenn auch zumeist nicht so viele wie angekündigt). Deshalb sind in einigen Fällen, sofern vorhanden, auch Gewerkschaften für den Staudammbau.
Viertens sind die Projekte eine wahre Goldgrube für die Korruption, teils über Jahrzehnte hinweg. Von der Planung über die Auftragsvergabe bis zur Realisierung und späteren Betreibung, es wird geschmiert, entwendet, hinausgezögert und verteuert. Wie eine Zitrone wird der Staat, der am Ende für alles aufkommt, ausgepresst. Viele Länder wurden weiter in die Schuldenfalle getrieben und manches Projekt machte im Nachhinein den Bärenanteil der Auslandsverschuldung aus.
Eine Alternative stellen kleinere Wasserkraftwerke dar. Doch auch sie sind nur dann sinnvoll, wenn tatsächlich alle anderen Faktoren um sie herum nicht umwelt- und menschenschädigend sind. Es gibt zahlreiche Projekte für kleinere alternative Kraftwerke, die stark auf “hausgemachte” Technologien setzten. Schaut man genauer hin, wird deutlich, dass dabei letztlich viel neue Infrastruktur und moderne Technologie mit im Spiel sein muss.
Auch kleinere Staudämme können zur Zerstörung von traditionellen Bewässerungssystemen beitragen, wenn sie nicht in diese mit integriert werden. In Bolivien, Peru und Ekuador wäre z.B. eine Reaktivierung und Modernisierung alter inkaischer Bewässerungssysteme in großem Stil durchaus für die Landwirtschaft möglich. Wäre aber kein lohnendes Geschäft im kapitalistischen Sinn und würde nicht einer größenwahnsinnigen Energiegewinnung dienen.
Mehr zum Lesen und ein bisschen für die Ohren
Der Schwerpunkt kritischer Debatten über Erderwärmung und Energiegewinnung, die auf eine Überwindung der warenvermittelten Gesellschaftlichkeit abzielt, sollte daher auch nicht bei einer Suche nach Technologiealternativen liegen. Diese ändern sich rasch und liegen zudem jenseits unseres Einfluss- und Handlungsbereiches. Wir sollten vielmehr den Blick darauf lenken, dass wir für ein gutes Leben eigentlich nicht besonders viel Energie benötigen, ohne deshalb ein stofflich-geistig ärmliches Leben führen zu müssen. Wir haben darauf auf dieser Seite schon verschiedentlich hingewiesen. Im Folgenden stellen wir daher einige Möglichkeiten zum Weiterlesen vor.
Der Kapitalismus als Ressourcen- und Zeitverschwender
In den Artikeln Der Kapitalismus, eine Ressourcenschleuder und Zeitverschendung Marktwirtschaft wird die ganze Dimension an stofflichen Ressourcen aufgezeigt, die in einer Gesellschaft ohne Geld und Privateigentum überflüssig wären. Der Text Zeitverschwendung Marktwirtschaft – Über die absurdeste Reproduktionsweise seit Menschengedenken ergänzt diese Debatten um den zusätzlichen Aspekt des gesellschaftlichen Zeitaufwands, der ausschließlich für die Existenz von Privateigentum und Geld erforderlich ist.
Die Studie zum Thema
Die aufschlussreiche, gut lesbare Studie: „Das Geschäft mit der Wasserkraft – Schlaglichter auf europäische Konzerne“ vom Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie GegenStrömung gibt es hier.